Festival:Das Experiment der Vielfalt

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Hochvirtuoser Emotions-Weltjazz: Der armenische Starpianist Tigran Hamasyan ist bei "Nuejazz" zu hören. (Foto: Nuejazz)

Das "Nuejazz"-Festival des Vereins Nürnberger Jazzmusiker hat sich bereits gut etabliert - und will ein größeres und jüngeres Publikum für dieses Genre begeistern.

Von Oliver Hochkeppel, Nürnberg

"Jazz Ost-West" und "Stimmenfang" - was Jazzfestivals angeht, hat Nürnberg eine lange Tradition. Mit "NueJazz" hat man nun seit 2013 eines, das von Anfang an mit den Attributen "jung", "frisch" und "innovativ" belegt worden ist. Der Gitarrist Frank Wuppinger und der Bassist Marco Kühl mit ihrem Verein Nürnberger Jazzmusiker hoben das Ganze mit der erklärten Absicht aus der Taufe, für den Jazz wieder ein größeres und jüngeres Publikum zu gewinnen und Nürnberg wieder zu einem internationalen Standort in der Festivallandschaft zu machen. Deshalb sind genreübergreifende Vielfalt und junge, experimentierfreudige Akteure Programm. Oder, wie Wuppinger den idealen Nuejazz-Acts beschreibt: "Facettenreich und nicht das, was man sowieso überall hören kann." Tatsächlich haben hier Musiker wie Andreas Schaerer, David Helbock oder Omer Klein schon gespielt, bevor ihre Namen in aller Munde waren. Und Trends wie die starke, inzwischen auch in New York angekommene israelische Szene wurden hier früh aufgenommen und vorgestellt.

Diese Programmierungs-Qualitäten spielt man heuer vom 26. bis 31. Oktober endlich wieder voll aus - nach einer geplanten Relaunch-Pause 2019 und einer ungeplanten, Corona-konformen "Digital Edition" ohne Publikum im vergangenen Jahr, die sich auf einen vom Bayerischen Rundfunk übertragenen Festivaltag mit fünf Bands beschränken musste. Jetzt reicht es sogar wieder für ein üppiges Rahmenprogramm: einer Ausstellung der Fakultät Design der TH Nürnberg, dem Bruno-Rother-Preisträger-Konzert zum Start am Dienstag und dem Zirkus Jazzino-Kinderkonzert zum Schluss am Sonntag. Der große Aufschlag kommt am Mittwoch mit einem Star, den hierzulande kaum einer als solchen kennt: dem kanadischen, aber in Kalifornien und New York sozialisierten Saxofonisten (und Fagottisten!) Ben Wendel. Seine erfolgreiche Band Kneebody hat seinen Namen lange überdeckt, inzwischen hat Wendel aber nicht nur mit nahezu allen angesagten US-Jazzern, sondern auch mit Pop-Stars wie Prince oder Snoop Dogg gespielt. In Nürnberg präsentiert er sein "High Heart Project", ein neues, mit Cracks wie Lage Lund oder Shai Maestro besetztes Sextett.

Auch spannende amerikanische Acts sind dabei

Und von Donnerstag bis Samstag geht es dann richtig rund, mit jeweils bis zu sechs Konzerten pro Abend. Da gibt es reichlich zu entdecken: Heiße heimische Nummern wie das Münchner Avantgarde-Pop-Damenkollektiv SiEA, das Hamburger Quartett Toy Toy, das den 90er-Jahre Elektro-Techno des soeben aufgelösten legendären Duos Daft Punk "rejazzed", die (exklusiv für Nuejazz zusammengeführte) Live-Begegnung von Phillipp Roths DJ-Projekt Red On mit der audiovisuellen Experimentatorin Sabrina Zeltner alias Subrihanna und dem Saxofonisten Michael Binder, den Future-Pop des Duos Ätna, den Berlin-Jazz des Trios Bobby Rausch oder das prog- und hardrockige TMTxplosiv-Trio der drei Bigband-Leader Monika Roscher, Tom Jahn und Tilmann Herpichböhm. Aufstrebendes aus den jungen europäischen Szenen wie das Duo The Breath mit ihrer hybriden Manchester-Music, das neue britische Quartett der Schweizer Sängerin Lucia Cadotsch mit Kit Downes, Phil Donkin und James Maddren, die norwegische Jazzrockerin Hedvig Mollestad oder die Trompeterin Yazz Ahmed, die neben Shabaka Hutchings oder Nubya Garcia eine der Speerspitzen des Londoner "Jazz-Movements" ist.

Und sogar endlich wieder spannende amerikanische Acts sind dabei, wie das Soul-Jazz-R'nB'-Kollektiv Butcher Brown aus der D'Angelo-Stadt Richmond oder (in einer Solo-Performance) der Schlagzeuger Kassa Overall, der an der Seite vom aktuell gehypten Trompeter Theo Croker einer der neuen Aktivposten der West Coast Szene ist. Auch bei den prominenten Highlights sieht man die Bandbreite von Nuejazz, die eben vom hochvirtuosen Emotions-Weltjazz des armenischen Starpianisten Tigran Hamasyan bis zum Trance-Rock des franco-kanadischen Trios Suuns reicht.

Allerdings sollte man vorher planen, was man unbedingt sehen will, denn erstmals ist das Festival auf zwei Bühnen verteilt, "um unter den aktuellen Hygienebestimmungen mehr Menschen tolle Konzerte bieten zu können", wie die Veranstalter erklären: einmal auf die bereits traditionelle Kulturwerkstatt Auf AEG im Westen fast schon bei Fürth, und dann neu auf den Z-Bau - Haus für Gegenwartskultur im Südosten. Immerhin werden alle Konzerte in Ausschnitten live ins Netz übertragen, die Besucher der beiden Veranstaltungsorte (wie auch zu Hause Gebliebene) können so einigermaßen mitverfolgen, was am anderen Spielort gerade passiert.

NueJazz, Dienstag bis Sonntag, 26. bis 31. Oktober, Auf AEG und Z-Bau Nürnberg, www.nuejazz.de

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