Neuperlach:Warum die Polizei einen bewaffneten Mann laufen ließ

Lesezeit: 2 min

  • Ein mit Waffen, Benzinkanister und Nachtsichtgerät ausgestatteter Mann treibt sich auf dem Bauplatz eines Flüchtlingsheims in München herum.
  • Der Pasinger Landtagsabgeordnete Florian Ritter wollte von Innenminister Herrmann wissen, warum der Mann nicht in Gewahrsam genommen wurde.
  • Zufrieden ist er mit der Antwort nicht.

Von Martin Bernstein

Ein dem Staatsschutz bekannter Mann treibt sich, ausgerüstet mit Messer, Axt, Beil, gefülltem Benzinkanister und einem im Kofferraum versteckten Nachtsichtgerät in der Nähe eines Flüchtlingsheim-Bauplatzes und weiterer Unterkünfte herum: Der Fall von Ende August, der erst vergangene Woche bekannt geworden war, hat jetzt den Landtag beschäftigt.

Der Pasinger Landtagsabgeordnete Florian Ritter, Rechtsextremismusexperte der SPD-Fraktion, wollte vom Innenminister wissen, "ob die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde und weitergehende Ermittlungen geprüft wurden und warum die Person nicht in Gewahrsam genommen wurde". Die Antwort liegt seit Donnerstag vor - Ritter findet sie ausweichend. Joachim Herrmann (CSU) erklärt nach Rücksprache mit Justizministerium und Polizeipräsidium: "Die Staatsanwaltschaft München I wurde über den Vorfall informiert. Mangels Vorliegens einer Straftat war jedoch eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft nicht gegeben."

Keine konkrete Gefährdungssituation

Eine Straftat, das hatte bereits das Polizeipräsidium betont, hat der Mann nicht begangen, lediglich eine Ordnungswidrigkeit. "Eine konkrete Gefährdungssituation", etwa für die Asylbewerberunterkünfte, habe man ihm nicht nachweisen können, schreibt das Innenministerium. Den Beamten der Polizeiinspektion Neuperlach, die den Mann am 24. August kurz nach 20 Uhr kurzzeitig aus dem Verkehr zogen, kam jedoch einiges nicht geheuer vor. Die Kontrolle fand an der Ecke Putzbrunner und Heidestraße statt, ganz in der Nähe der im Sommer lebhaft diskutierten möglichen Flüchtlingsheimstandorte Im Gefilde beziehungsweise Arnold-Sommerfeld-Straße. In der Woche vor dem Vorfall war darüber öffentlich berichtet worden.

Der Verdächtige hatte, wie jetzt auch das Innenministerium bestätigt, keine Ausweispapiere dabei. Aber er "konnte aufgrund seiner zahlreichen Tätowierungen zweifelsfrei identifiziert werden". Dem Vernehmen nach sollen unter den Tätowierungen auch Runen sein. Für die Polizei ist der Mann aus dem Landkreis Rosenheim kein Unbekannter - über ihn gebe es "Unterlagen aus allen Phänomenbereichen, darunter auch Staatsschutzdelikte mit rechtsmotiviertem Hintergrund".

Beamte nahmen den Vorfall offenbar sehr ernst

Diese Delikte lägen jedoch bereits zwölf Jahre zurück, heißt es in der Antwort des Innenministeriums. Weder der Münchner noch der Rosenheimer Staatsschutz hätten darüber hinaus Erkenntnisse über aktuelle Bezüge des Mannes zur rechtsextremistischen Szene, ebenso wenig der Verfassungsschutz. Zuletzt geriet der Mann wegen des Diebstahls von Baumaschinen und wegen Jagdwilderei in Konflikt mit dem Gesetz. Den Beamten erklärte der Rosenheimer, er besitze die verdächtigen Gegenstände, weil er ab und zu mit einem Freund, der Jäger sei, mit auf die Pirsch gehe. An diesem Tag sei er jedoch bei seinem Anwalt in München gewesen und nun auf dem Nachhauseweg.

Wie ernst die kontrollierenden Beamten den Vorfall nahmen, zeigt die Tatsache, dass sie telefonisch den Höheren Beamten vom Dienst (HvD) des Polizeipräsidiums sowie die Rufbereitschaft des Münchner Staatsschutzes informierten. Auch die Staatsanwaltschaft wurde benachrichtigt - allerdings erst am nächsten Tag. Nach einer "Gefährderansprache" durch die Polizisten, und nachdem er das nach Paragraf 53 des Waffengesetzes verbotene Messer abgegeben hatte, durfte der Mann weiterfahren. "Es lagen keinerlei Rechtsgrundlagen für eine weitere Festhaltung bzw. einen Gewahrsam vor", schreibt das Innenministerium.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: