Neuperlach:Schützenhilfe der besonderen Art

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Der SVN München plant einen Sportkindergarten. Die Stadt signalisierte ein Ja, will nun aber den Sportschützen noch mehr Platz im Gebäude einräumen. Weil dadurch das Projekt in Gefahr gerät, kündigt der Verein Widerstand an

Von Hubert Grundner, Neuperlach

"Das ist ein tolles Konzept, und jetzt wird es torpediert", schimpft Norbert Kreitl. Je länger der Ehrenvorsitzende und Baubeauftragte des SVN München über den aktuellen Stand des geplanten Sportkindergartens spricht, desto mehr gerät er in Rage. Kreitl macht keinen Hehl daraus, wie sehr er sich ärgert, dass das Projekt momentan keinen Fortschritt macht.

Dabei hatte alles sehr vielversprechend begonnen. Als sich die Paulaner-Brauerei als Betreiberin der alten SVN-Vereinsgaststätte zurückzog - der Pachtvertrag endete zum 30. Juni 2018 -, ergriffen Kreitl und seine Mitstreiter die Gelegenheit, die sich dadurch bot. Sie wollten in der Gaststätte einen Bewegungs- beziehungsweise Sportkindergarten unterbringen.

Zu dem Zweck will der SVN mit einem Partner, der als Träger der Einrichtung fungieren soll, eine Sozial-GmbH gründen. Der Verein würde sich dabei in Form seiner Sportstätten und der bei ihm beschäftigten Sportlehrer einbringen, während der Träger das pädagogische Know-how beisteuert. Auch bei den Öffnungszeiten würde sich der Sportkindergarten von vielen herkömmlichen Einrichtungen unterscheiden: Er soll bereits um 6 Uhr morgens aufsperren und abends um 20 oder 21 Uhr schließen. Ein Angebot, das insbesondere auf alleinerziehende oder im Schichtdienst beschäftigte Eltern abzielt.

Das Streitobjekt: Der Sportverein würde in der ehemaligen Gaststätte gern einen Bewegungskindergarten realisieren, Umbaupläne gibt's bereits. (Foto: Robert Haas)

Dieses Konzept hatten die SVN-Verantwortlichen bereits bei einem Gespräch am 11. Juli 2018 im Referat für Bildung und Sport (RBS) präsentiert. Dem Vernehmen nach sagten Behördenvertreter ihre Unterstützung bei der Realisierung zu. "Daraufhin haben wir umgehend ein Planungsbüro beauftragt", sagt Kreitl. Das war notwendig, um den Um- und Ausbau der früheren Vereinsgaststätte entsprechend den Anforderungen zu gestalten, die an eine solche Kinderbetreuung gestellt werden. Wobei die Planung bereits mit der zuständigen Fachstelle im Referat abgestimmt war und seit 11. Januar 2019 vorgelegen habe.

Zum anderen hatte das Planungsbüro die Aufgabe, für die ebenfalls vorgeschriebene räumliche Trennung von Kindergarten und Sportschützen zu sorgen. Denn die vier Schützenvereine sollten, wie frühzeitig vereinbart, im Haus bleiben dürfen. Das Problem dabei: Die Schützen waren mit dem Raumangebot im Keller, Erdgeschoss und ersten Stock des Gebäudes offenbar nicht zufrieden und erhoben im Untergeschoss zusätzlich Anspruch auf den Kühlraum. Auf diesen Kühlraum des früheren Restaurants aber kann der SVN nicht verzichten: Denn zum Konzept des Sportkindergartens gehört, dass für die Kleinen täglich frisches Essen zubereitet wird, deshalb wird der Raum als Lagerfläche für Getränke und Lebensmittel benötigt.

Hier ist der Kühlraum im Erdgeschoss der Gaststätte zu sehen. (Foto: Privat)

Tatsächlich haben die Schützen den Kühlraum bereits mit Beschlag belegt und nutzen ihn offenbar als Küche. Wobei Kreitl erfahren haben will, dass die Schützen das Untergeschoss sogar für eine Vereinsgastronomie ausbauen wollen. Dazu hat der SVN eine Expertise erstellen lassen. Demnach müssten die Kellerräume, um überhaupt so etwas einrichten zu dürfen, zuerst mit Be- und Entlüftungsanlage und Brandschutz ausgestattet werden. Die Kosten wurden auf bis zu 250 000 Euro geschätzt. Nicht nur Kreitl dürfte sich fragen, wie die Stadt solche Ausgaben für einen doch recht überschaubaren Personenkreis rechtfertigen will: "Wir verstehen nicht, warum vier Schützenvereinen mit circa 120 Mitgliedern hier solche Prioritäten eingeräumt werden sollen", kritisiert Kreitl.

Noch mehr aber erbost den Ehrenvorsitzenden des SVN, der 1969 als "SV Neu-Perlach" gegründet wurde und heute rund 6500 Mitglieder zählt, dass das RBS eine regelrechte Kehrtwende vollzogen habe. Trotz der anfänglichen Begeisterung in ihrem Haus für die Idee eines Sportkindergartens und trotz der bereits dafür ausgearbeiteten Pläne habe Referentin Beatrix Zurek (SPD) den Schützen zugesagt, ihnen das komplette Untergeschoss zu überlassen. Bei einem Ortstermin im Februar habe sie dann noch mit der Nachricht überrascht, dass das Sportreferat auf Grundlage der SVN-Planungen seinerseits nun Entwürfe erarbeitet habe. Dazu erklärt wiederum der Verein unmissverständlich, dass er keinesfalls das Gebäude als Untermieter des Referats übernehmen werde, wenn er keinen Anteil am Untergeschoss bekomme, insbesondere den Kühlraum. Abgesehen davon, dürften Zureks Bemühungen um einen "eigenen" Sportkindergarten an Grenzen stoßen. Ihr Einflussbereich endet nämlich an den Luftschächten der alten Vereinsgaststätte - das Areal nördlich davon hat der Verein bereits in Erbpacht erworben. Und einer Nutzung als Freiflächen für einen Kindergarten würde der SVN keinesfalls zustimmen, verdeutlicht Kreitl.

Möglicherweise ist aber auch die Rathausspitze vom Alleingang des Referats überrascht worden. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) jedenfalls hatte im März dem Vereinsvorsitzenden Kurt Damaschke schriftlich versichert, dass es "keine Zusage" der Stadt gebe, das gesamte Unterschoss der alten Gaststätte dem Schützensport zu überlassen.

Eine Antwort auf die Frage, wie sich die offenkundigen Widersprüche erklären lassen, war vom RBS nicht zu erhalten: Auf eine detaillierte Anfrage der SZ hieß es lediglich recht allgemein, Ziel sei es, "beide Nutzungen - Kita und Sport - zu ermöglichen". Außerdem sollten alle Nutzerinnen und Nutzer im selben Umfang wie bisher ihren sportlichen Aktivitäten nachgehen können. Und weiter: "Dies ist auch der Kommission für Zuschuss- und Belegungsfragen im Sport wichtig, die im Februar 2019 empfohlen hat, das Gebäude in städtischem Besitz zu belassen, wenn der SVN den Planungsvorschlägen nicht zustimmt." Ansonsten sei man mit der Vereinsführung des SVN im Gespräch, ein nächster Termin im Herbst geplant.

Norbert Kreitl hat sich seinerseits bereits vor circa einem Monat an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gewandt und ihm geschildert, welche Steine dem SVN in den Weg gelegt wurden. Jetzt sagt Kreitl: "Wir können nur hoffen, dass der Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung eingreift und diesen Unsinn stoppt."

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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