Neuperlach:Kritik am Konzept

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Bei der Einwohnerversammlung zur Bebauung des Siemens-Parkplatzes am Otto-Hahn-Ring äußern viele Bürger ihre Bedenken über das Vorhaben mit 750 Wohnungen. Sie befürchten, dass zu viel und zu hoch gebaut wird

Von Hubert Grundner, Neuperlach

"Ich bin fassungslos über die Leichtfertigkeit, mit der die Stadt dem Investor die weitere Entwicklung unseres Viertels überlassen will." Ulrich Höhnberg setzte bereits mit seinem ersten Satz den Ton, den nach ihm auch viele andere Redner bei der Einwohnerversammlung zur geplanten Bebauung des Siemens-Parkplatzes am Otto-Hahn-Ring anschlagen sollten. 200 Bürgerinnen und Bürger waren am Montagabend in die Aula des Schulzentrums an der Quiddestraße gekommen, um sich von Vertretern des Investors sowie der Stadt München über das Projekt informieren zu lassen. Nicht zuletzt aber nutzten sie die Gelegenheit, ihre Forderungen frühzeitig, das heißt noch vor dem eigentlichen Bebauungsplanverfahren, einzuspeisen: Insgesamt 34 Anträge wurden gestellt, 33 davon mit meist überwältigender Mehrheit verabschiedet.

Gespannte Aufmerksamkeit: Falls man sich am Einlass nicht verzählt hat, sind exakt 200 Bürgerinnen und Bürger wegen der geplanten Bebauung des Siemens-Parkplatzes Nord zur Einwohnerversammlung in die Aula des Schulzentrums an der Quiddestraße gekommen. (Foto: Florian Peljak)

Die Versammlung moderierte der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach, Thomas Kauer (CSU). Er erinnerte eingangs daran, dass der Stadtrat für das Projekt noch keinen Eckdatenbeschluss gefasst habe. Grundsätzlich bejahe der BA das Vorhaben. Kritisch hingegen sehe man, dass es an einer Gesamtperspektive für Neuperlach mangele. Die Bebauung des Parkplatzes mit seinen circa 1500 Stellplätzen sei okay, müsse aber mit Augenmaß erfolgen, so Kauer.

"Wir stehen noch ganz am Anfang", betonte auch Ute Michel-Grömling vom Planungsreferat. Sie erklärte, dass die Entwicklung des Baugebiets - vorgesehen seien bis zu 750 Wohnungen - in einem kontinuierlichen Dialog mit den Anwohnern geschehen solle. Beruhigende Worte suchte erkennbar auch Frank Kindermann im direkten Anschluss. Er trat bei der Versammlung als Vertreter des Bauherren, der HIH Real Estate GmbH aus Hamburg, auf. Ihm zufolge ist die eigentliche Eigentümerin des Siemens-Areals in Neuperlach die BSC Grundstücksgesellschaft GmbH & Co. KG. Zu deren Gesellschaftern gehörten Versicherungen, Versorgungswerke, Stiftungen und private Anleger. Kindermann beteuerte, dass man den Parkplatz nicht bis zum maximal Möglichen bebauen wolle. Den Zuhörern versicherte er die Bereitschaft der Investoren, das Viertel zusammen mit den Anwohnern zu entwickeln.

Laut Stadtplanerin Anke Griesel werde am Ende die Realisierung von bis zu 750 Wohnungen angestrebt. (Foto: Florian Peljak)

Einen Vorgeschmack, um was es dabei gehen könnte, lieferte Stadtplanerin Anke Griesel vom Architekturbüro Albert Speer + Partner aus Frankfurt. Wie sie erklärte, sollen zuerst die Stellplätze vom Otto-Hahn-Ring zum Siemens-Parkplatz Ost verlagert werden. Später strebe man dann die Realisierung von bis zu 750 Wohnungen an. Generell solle in dem Gebiet eine fünf- bis sechsgeschossige Bebauung entstehen, wobei an exponierten Stellen wie der Kreuzung von Otto-Hahn-Ring und Carl-Wery-Straße auch an "Hochpunkte" gedacht sei. Den Nachbarn versprach Griesel: "Den Grünstreifen im Norden wollen wir auf alle Fälle erhalten." Gemeint war im Wesentlichen der vier Meter hohe und mit Bäumen bewachsene Wall, der die Kleinsiedlung entlang der Dr.-Walther-von-Miller-, Iblher- und der Putzbrunner Straße zum Parkplatz hin abschirmt.

Frank Kindermann, Vertreter des Bauherren, der HIH Real Estate GmbH aus Hamburg beteuerte, dass man den Parkplatz nicht bis zum maximal Möglichen bebauen wolle. (Foto: Florian Peljak)

Verkehrsplaner Helmuth Ammerl attestierte dem Gebiet zunächst einmal eine gute ÖPNV-Anbindung. Ansonsten solle in den Neubaugebiet die städtische Stellplatzsatzung erfüllt werden. Angestrebt sei für den motorisierten Individualverkehr ein "Erschließungskonzept der kurzen Wege". Wobei Ammerl als Folge des Baus von 750 Wohnungen 3000 bis 3500 Fahrzeugbewegungen täglich erwartet. Eine zusätzliche Belastung, die, wie er glaubt, der Otto-Hahn-Ring noch problemlos aufnehmen könnte.

Viele Zuhörer machten ihrem Unmut daraufhin lautstark Luft. Ansonsten aber bewiesen sie große Geduld und Disziplin. Was nichts an der Tatsache ändert, dass sie zu dem Projekt überaus kritisch stehen. Zwar forderte niemand einen kompletten Verzicht auf die Bebauung des Parkplatzes. Doch in Ulrich Höhnbergs Antrag dürften sich viele Anwohner wiedergefunden haben: Er forderte, dass angrenzend an die Kleinsiedlung nur zweigeschossig gebaut werden soll, von dort dann ansteigend bis zu vier Geschossen.

Hochhäuser hingegen lehnte er ab, und die Zahl der Bewohner sollte auf 700 begrenzt werden. Reinhard Mauser hingegen vertrat die Ansicht, dass die Stadt das Areal erwerben und selbst Wohnungen bauen sollte. Reinhard Miller trat dafür ein, das Gehölz auf dem Damm zu erhalten und als wichtiges Biotop unter Schutz zu stellen. Theodor Pater wiederum gab zu bedenken, dass im Winter ein 60 Meter hohes Gebäude einen 180 Meter langen Schatten werfen würde: "Für unsere Kleinsiedlung ist das nicht zumutbar."

Monika Kastin befürchtete, dass nach dem Verschwinden des Parkplatzes die angrenzenden Straßen durch den Park-Such-Verkehr der Siemensianer verstopft werden könnten. Sie will erst ein überzeugendes Konzept sehen, wie dieses Problem gelöst werden soll. Zahlreiche weitere Anträge betrafen die fehlenden Schulen, Kinderkrippen und -gärten sowie Defizite bei ärztlichen und sozialen Einrichtungen.

Voraussichtlich noch vor Ostern wird der Bezirksausschuss nun eine Sondersitzung zu dem Thema anberaumen. Dabei wird er über alle Anträge beschließen, Anfragen werden dagegen direkt an die Stadtverwaltung weitergeleitet. Vor allem aber wolle er erreichen, so BA-Vorsitzender Thomas Kauer, dass das Gremium den Stadtrat bittet, keinen Eckdatenbeschluss zur Bebauung des Siemens-Parkplatzes zu fassen, ehe nicht die Anträge der Anlieger beantwortet sind. Andernfalls hätte man sich die Veranstaltung sparen können.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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