Neuperlach:Die Last der Betonkultur

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Das Landesamt für Denkmalpflege möchte die Mensa des Schulzentrums Neuperlach-Nord unter Schutz stellen lassen. In der Folge könnte allerdings die Sanierung des Baus, so wie bisher geplant, in Gefahr geraten. Nicht zuletzt droht der Verlust des Veranstaltungssaales

Von Yannick Seiler, Neuperlach

"Betonkultur" nennt Sabrina Landes, Mitglied der Grünen-Fraktion im Bezirksausschuss (BA) Ramersdorf-Perlach, die Architektur ihres Stadtteils. Davon hält das Landesamt für Denkmalpflege besonders die Mensa des Schulzentrums Neuperlach-Nord für schützenswert. Nun will es das Gebäude zum Denkmal erklären lassen. Damit wird aus der geplanten Sanierung erst mal nichts. "Das hat uns natürlich sauer aufgestoßen." Landes findet, dass dadurch sämtliche dringend notwendigen Neuerungen an dem Gebäude verhindert werden. Als Vorsitzende des Unterausschusses Bildung hat sie die steigenden Schülerzahlen im Bezirk im Blick. "Wir brauchen eine Mensa in dieser Größe, um gegen die räumliche Knappheit anzukommen." Das hat auch der Ausschuss so gesehen. Durch die Sanierung "steht der vielfältig nutzbare Saal mit Bühne auch in Zukunft für den Stadtteil zur Verfügung", begründet er seine Zustimmung. Denn ohnehin gebe es in Neuperlach ansonsten fast keine geeigneten Räume für Kulturevents.

Schützenswert sei der Sichtbetonbau wegen seiner vielfach gebrochenen Fassaden über einem vieleckigen Grundriss, so das Landesamt für Denkmalpflege. (Foto: Angelika Bardehle)

Der BA-Vorsitzende Thomas Kauer (CSU) nennt den Denkmalschutz "inhaltlich nachvollziehbar". Denn die Mensa stehe stellvertretend für die architektonische Geschichte des Stadtviertels. Doch er verweist auf das Gebäude als einzige größere Veranstaltungshalle im Stadtbezirk. Würde sich die Sanierung verzögern, fehle etwa dem Kulturkreis Ramersdorf-Perlach ein passender Veranstaltungsort. "In der Mensa halten wir auch unsere Bürgerversammlungen ab." Fest steht laut Kauer bisher nur, dass bei einer Sanierung laut Denkmalschutz die Fassade des Gebäudes nicht verändert werden darf. Kauer hat beim Bildungsreferat angefragt, ob die Erneuerung neu geplant werden muss und welche Auflagen zu beachten sind. "Ich erwarte frühestens in einem Vierteljahr eine Antwort."

Trotzdem! (Foto: Alessandra Schellnegger)

Auf Nachfrage der SZ erklärt Katharina Rieger, Sprecherin des Bildungsreferats, dass "die Planungen komplett neu angegangen werden müssen". Das im Dezember vorgelegte Sanierungskonzept sei hinfällig. Alle Schritte von der Machbarkeitsstudie über den Brandschutz bis hin zum Bauantrag müssten nun zunächst denkmalgemäß ausgearbeitet werden. "Durch die Denkmaleigenschaft ist ein Abriss des Gebäudes sehr schwer beziehungsweise unmöglich geworden, auch wenn eine Sanierung nicht wirtschaftlich ist." Leerstand könnte folgen. Unterhalten werden muss das Gebäude dennoch. Dabei drohten "Kostensteigerungen oder umfassendere Genehmigungsverfahren". Um die Schüler weiterhin am Schulzentrum mit warmen Mittagessen zu versorgen, könnte im Rahmen neuer Planungen ein Ersatzbau an anderer Stelle auf dem Grundstück entstehen. Zu Kosten "lassen sich keine Angaben machen".

Auch Meisterschaften im Breakdance wurden bereits im Schulzentrum ausgetragen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Silke Wapenhensch, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landesamts für Denkmalpflege, erklärt: "Für jede Veränderung an einem Denkmal muss der Eigentümer eine denkmalrechtliche Erlaubnis bei der Unteren Denkmalschutzbehörde beantragen." Das bedeutet weiteren Verwaltungsaufwand, bevor die Sanierung beginnen kann. Schützenswert sei der Sichtbetonbau wegen seiner vielfach gebrochenen Fassaden über einem vieleckigen Grundriss. Vorbild der Architekten für die von 1973 bis 1975 gebaute Mensa sei die in den 1960er-Jahren erbaute Berliner Philharmonie gewesen. Zudem setze das Gebäude pädagogische Forderungen der Zeit, etwa nach mehr Selbstbestimmung und räumlicher Flexibilität, um. Aktuell prüfe das Amt, ob es zum Denkmal erklärt wird.

"Gegen eine Denkmaleigenschaft können wir uns nicht wehren", meint Wolfgang Thalmeir (CSU), Vorsitzender des Unterausschusses Bau. Er verweist darauf, dass München nicht mit großen Veranstaltungshallen gesegnet sei. Sollte die Mensa dauerhaft geschlossen bleiben, fehle dem Viertel ein vernünftiger Saal für kulturelle Veranstaltungen. "Eine größere Halle ist zwingend notwendig für Neuperlach." Am Hanns-Seidel-Platz wurde der Start für einen solchen Neubau jüngst verschoben. Thalmeir spricht von "leeren Versprechungen" der Stadtverwaltung. Etwas kann er der neuen Situation dennoch abgewinnen: "Vielleicht ist der Denkmalstatus ja eine glückliche Fügung." Dadurch sei es möglich, zusätzliche Zuschüsse für die Sanierung zu generieren. Laut den Denkmalpflegern könnten "Finanzierungshilfen und Steuererleichterungen" gewährt werden, wenn "die Maßnahmen vor Beginn einvernehmlich" abgestimmt seien.

Architektonisch ist die Mensa eine Vertreterin des Brutalismus. Dazu zählen laut dem Landesamt die Wohnanlage Orpheus und Eurydike an der Soxhletstraße oder das Restaurant Tantris. Deswegen schlägt Landes vor, ein anderes Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Denn: "Beton gibt es bei uns genug."

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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