Neuperlach:Altes renovieren, Neues bauen

Lesezeit: 3 min

Im Fokus: Neuperlach, hier das Marx-Zentrum, soll saniert werden. (Foto: Claus Schunk)

Die Stadt will sich aus der Städtebauförderung des Bundes Geld für Neuperlach sichern. Der Bezirksausschuss begrüßt die Ausweisung als Sanierungsgebiet, sieht aber der Nachverdichtung mit Bangen entgegen

Von Hubert Grundner, Neuperlach

Das Rathaus will sich Geld aus der Städtebauförderung des Bundes sichern. Zu dem Zweck wird derzeit ein Antrag vorbereitet, Neuperlach förmlich als Sanierungsgebiet auszuweisen. Nicht zuletzt geht es auch darum, auszuloten, wie man aus dem teils renovierungsbedürftigen Gebäudebestand Neues entwickeln könnte - und unter dem Stichwort Nachverdichtung zusätzlichen Wohnraum.

Auch Städte sind durchaus dem Risiko ausgesetzt, am eigenen Erfolg zugrunde zu gehen. Und München samt Umgebung steht als eine der wirtschaftlich stärksten Regionen Deutschlands fast beispielhaft dafür: Viele Arbeitsplätze in Kombination mit einem attraktiven Kultur- und Freizeitangebot sind Auslöser des seit Jahren ungebremsten Zuzugs.

Auf dem offiziellen Stadtportal heißt es dazu: "Bis zum Jahr 2030 steigt die Einwohnerzahl Münchens nach den vorliegenden Prognosen gegenüber 2013 um rund 230 000 Menschen auf 1,72 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner." Die Schattenseite dieser Entwicklung: Die Stadt kommt kaum noch hinterher, die notwendige Infrastruktur bereitzustellen - öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten, Schulen, medizinische und soziale Einrichtungen. Vor allem aber gibt es praktisch keine größeren Flächen mehr, auf denen man neue Wohnungen bauen könnte.

Nun ist es nicht so, dass die Verantwortlichen im Rathaus tatenlos zugesehen hätten. 1998 wurde vom Stadtrat erstmals das Stadtentwicklungskonzept "Perspektive München" beschlossen und mittlerweile mehrfach fortgeschrieben. Zuletzt kamen das Leitmotiv, vier strategische Leitlinien und die zehn Handlungsräume der Stadtentwicklung hinzu. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, könnte man sagen: In einer Art theoretischem Überbau werden in dem Konzept die Ziel- und Wertvorstellungen der Stadtentwicklung gebündelt.

Das alles mag sehr akademisch klingen, zielt aber letztlich auf die Praxis ab. Und hier kommt nun endlich Neuperlach ins Spiel. Als Nummer sechs gehört es zu den erwähnten zehn Handlungsräumen, in welche das Stadtgebiet aufgeteilt worden ist. Diese sollen die fachliche und gesamtstädtische Sichtweise um eine teilräumliche Betrachtung ergänzen. Der Blick richtet sich "auf einzelne Stadtgebiete, in denen sich exemplarisch Entwicklungschancen, aber auch Risiken zeigen und die in einem besonderen Maß der Zuwendung und Sorgfalt bedürfen", heißt es dazu von Seiten der Verwaltung.

Derzeit sind die Fachleute im Planungsreferat dabei, einen Antrag vorzubereiten, der darauf abzielt, Neuperlach förmlich als Sanierungsgebiet festzulegen. Was wiederum der Bezirksausschuss (BA) Ramersdorf-Perlach "uneingeschränkt begrüßt"; das Gremium folgte dabei der Empfehlung seines Unterausschusses Bauvorhaben, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung.

Allerdings schließen sich an das grundsätzliche Einverständnis dann doch mehrere Kritikpunkte an. So stößt bei den Lokalpolitikern die Art und Weise, wie die Bürgerbeteiligung entwickelt werden soll, "auf Befremden". Denn offenbar beabsichtigt das Planungsreferat, zu dem Zweck einen externen Dienstleister mit ins Boot zu holen. Darüber sei aber bisher nicht mit ihnen gesprochen worden, monieren die BA-Mitglieder. Als "besonders kritisch" sehen sie, dass laut Beschlussvorlage auch zur Erarbeitung und Festlegung der spezifischen Chancen und Ziele für die Sanierungsgebiete externe Dienstleister herangezogen werden sollen.

Dies würde in Form eines Beratungsauftrages geschehen. "Der Landeshauptstadt München stünde es hier gut an, diese wichtige Planungsaufgabe im eigenen Hause zu erledigen", merken die Lokalpolitiker dazu an. Dabei sollten die Ortskenntnisse sowie die Sach- und Fachkompetenz der städtischen Planer zusammen mit den örtlichen Akteuren, den Bürgern und den gewählten BA-Mitgliedern, genutzt werden, anstatt Planungsbüros aus Hamburg, Berlin oder anderen deutschen Großstädten einzuschalten.

Wesentlich mehr Kopfzerbrechen scheint aber ein anderer Aspekt bereitet zu haben: die Nachverdichtung. Aus der Beschlussvorlage werde ersichtlich, dass eines der Primärziele ganz offensichtlich die Nachverdichtung des Stadtteils Neuperlach sein soll. Der Begriff finde sich mehrmals als eine der Zielvorgaben, heißt es in der Stellungnahme des Bau-Unterausschusses, und weiter: "Die Festschreibung dieses Zieles hält der BA in Anbetracht der durch die Bauleitplanung planungsrechtlich festgefügten baulichen Strukturen nicht nur für kontraproduktiv, sondern sogar für verfehlt." Voraussetzung für eine derartige Zielvorgabe wäre es, zunächst einmal das vorhandene Nachverdichtungspotenzial zu ermitteln.

Gleichzeitig müsste man sich mit der drängenden Frage beschäftigen, welcher Infrastrukturbedarf durch Nachverdichtung ausgelöst würde und ob und auf welche Weise infrastrukturelle Probleme zu lösen sind. Jede andere Art des Vorgehens, also zuerst die Nachverdichtung zu planen und sich dann mit der Infrastruktur zu beschäftigen, hieße "das Pferd von hinten aufzuzäumen", warnt der Bezirksausschuss in seiner Stellungnahme. Über die Beschlussvorlage entscheidet demnächst der Stadtrat.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: