Neuhausen/Nymphenburg:Gegen die Angst in den Köpfen

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Der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg spricht sich nun doch für eine Sicherheitswacht im Viertel aus. Die Bürger in blauer Uniformjacke, eine Hilfstruppe der Polizei, sollen zunächst ein Jahr auf Probe patrouillieren

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Die Überzeugungsarbeit des Neuhauser Polizeichefs Ulrich Rothdauscher hat gefruchtet. Mit 21 gegen 16 Stimmen sprach sich der Bezirksausschuss (BA) Neuhausen-Nymphenburg am Dienstag für eine Sicherheitswacht im Viertel aus. Keine überwältigende Mehrheit, aber dem strahlenden Rothdauscher "solide genug". Die Zustimmung ist gekoppelt an eine Einschränkung: Nach einem Jahr sollen die Erfahrungen ausgewertet werden. Sollte sich die freiwillige Hilfstruppe der Polizei fragwürdig benehmen, sich zu sehr aufmandeln, ist wieder Schluss damit. Das Probejahr ist die goldene Brücke, über die auch einige Sicherheitswacht-Skeptiker gehen konnten. Rothdauscher war einverstanden, es handle sich ja um ein Ehrenamt, "keinen Arbeitsvertrag mit Kündigungsfristen". Er will unverzüglich seine Bewerbung für sechs Männer oder Frauen, die je 15 Stunden im Monat durch Neuhausen streifen sollen, beim Polizeipräsidium kundtun.

Vor etwa einem Jahr hatten die Neuhauser eine Sicherheitswacht - ihre Mitglieder dürfen Personen befragen, Personalien festhalten und auch Platzverweise aussprechen - noch mit knapper Mehrheit abgelehnt. Der Inspektionsleiter begründete seinen erneuten Vorstoß mit der wachsenden Kluft zwischen der "sehr guten Sicherheitslage" im Viertel und der "gefühlten Unsicherheit" der Menschen, der Angst in ihren Köpfen. Bei einem Treffen in der Inspektion Anfang April tauschten Vertreter der Polizei und Mitglieder des Bezirksausschusses noch einmal Argumente aus, bei der Diskussion in der jüngsten BA-Sitzung meldeten sich überwiegend die Gegner zu Wort.

Eine Sicherheitswacht sei das falsche Zeichen, hieß es mehrmals, vor allem weil Rothdauscher sie mit dem Thema Flüchtlinge verknüpft hatte, was viele als sehr problematisch empfanden. Es signalisiere doch: "Da muss man aufpassen". So sah das auch eine junge Frau, die wegen des Themas in die Sitzung gekommen war und noch mehr Uniformen im Straßenbild eher bedrohlich empfindet: "Da bekomme ich doch das Gefühl, man muss aufrüsten." Den Ängsten der Bürger, sagte Eva Blomberg (SPD) zu Rothdauscher, "begegnet man nicht mit Menschen in blauer Weste, sondern mit Diskussionen und Argumenten, so wie Sie es ja kürzlich bei der Informationsveranstaltung zur Flüchtlingsunterkunft an der Hanebergstraße getan haben". Auch wenn das "der schwierigere Weg ist", unterstützte sie Marcus Freyer von der Grünen-Fraktion, die zur Hälfte pro, zur Hälfte contra abstimmte. Für Otmar Petz, Sprecher der SPD-Fraktion, die geschlossen gegen eine Sicherheitswacht votierte, können Ehrenamtliche auch nur "gefühlte" Sicherheit herstellen: "Wir wollen aber reale Sicherheit, und das ist Aufgabe der Polizei." Mehr Stellen, beschied ihn Rothdauscher nicht zum ersten Mal, werde die Neuhauser Inspektion aber nicht bekommen. Ein glühendes Bekenntnis zur Sicherheitswacht legte nur Ludwig Gebhard (Freie Wähler) ab, der bis 2010 in Neuperlach selbst als Freiwilliger dabei war und diese Einsätze höchst sinn- und ehrenvoll findet: "Die Polizei kann sich ja nicht um jeden Hundedreck kümmern."

Wo genau im Viertel die Blauwesten patrouillieren sollten - vorausgesetzt, Neuhausen kommt bei der laufenden Aufstockungsrunde zum Zuge - wurde nicht diskutiert. Wolfgang Schwirz, dessen CSU-Fraktion mit einer Ausnahme für die Sicherheitswacht war, regte mit Blick auf die zunehmenden Einbrüche an, sie könne Ausschau halten nach Verdächtigen, die Häuser ausspähen.

Wegen des Jahres auf Probe ist dem Neuhauser Polizeichef offenbar nicht bange. Seit 1995 gebe es, angedockt an mittlerweile sechs Inspektionen in München und Umgebung, Sicherheitswachten. Die Angst vor Machtmissbrauch habe sich nirgends bewahrheitet, erklärte er: "Die Erfahrungen waren durchwegs positiv."

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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