Neuhausen/Nymphenburg:"Das schadet doch dem Viertel nicht"

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Bayernweit das Gesicht der Werbekampagne: Andrea Burkhardt ist in Neuhausen und Nymphenburg für die Sicherheitswacht unterwegs. (Foto: Polizei Bayern/oh)

Der Neuhauser Bezirksausschuss hatte einst zugestimmt, dass die Sicherheitswacht probeweise eingeführt wird. Nun setzen SPD und Grüne ein knappes Nein durch, die Polizei hält aber an ihren freiwilligen Helfern fest

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Erst haben sie eine Sicherheitswacht im Viertel abgelehnt, ein Jahr später hat sich eine Mehrheit im Neuhauser Bezirksausschuss doch überzeugen lassen und einer probeweisen Einführung zugestimmt. Und jetzt, nachdem drei Frauen und sieben Männer seit 15 Monaten im Viertel unterwegs sind als "verlängerter Arm der Polizei" oder "wandelnde Notrufsäule", wie der bayerische Innenminister und seine Polizei-Oberen es gerne nennen, jetzt also hat sich die Mehrheit wieder neu geschüttelt: Mit 15 zu 14 Stimmen sprach sich das Gremium am Dienstagabend wieder gegen die Sicherheitswacht aus.

An den Nagel hängen müssen die ehrenamtlichen Sicherheitswachtler ihre blauen Jacken deshalb nicht. Der frühere Neuhauser Inspektionsleiter Ulrich Rothdauscher hatte zwar damals wiederholt betont, er werde das nur mit, nicht gegen den BA aufs Gleis setzen, doch erforderlich ist die Zustimmung des Gremiums nicht. Der neue Inspektionschef Thomas Madl, im Gegensatz zur Geschmeidigkeit seines Vor-Vor-Vorgängers Rothdauscher ein eher bayrisch-geradliniger Typ, erklärte auf SZ-Nachfrage ohne Umschweife, dass die Inspektion und auch das Polizeipräsidium an ihrer Helfertruppe festhalten wollten. "Wir werden aber jetzt intern diskutieren", kündigte er an, "ob wir andere Schwerpunkte setzen, zum Beispiel in der Maxvorstadt" - für deren Westen die Neuhauser Inspektion auch zuständig ist.

Befürchtungen vor Blockwart-Mentalität oder Hilfssheriff-Allüren der freiwilligen Polizeihelfer haben sich in diesem "Probejahr", das nun doch keines war, nicht bestätigt, Spektakuläres aber gibt es ebenfalls nicht zu vermelden. Polizeibefugnisse hat die Sicherheitswacht allerdings auch nicht, sie darf nur Personen befragen, Personalien festhalten und Platzverweise aussprechen. Welche Delikte allein ihre gelegentliche Präsenz in den Straßen des Viertels vielleicht verhindert habe, lasse sich schwer sagen, argumentierte Thomas Sorgalla von der Polizeiinspektion: "Prävention lässt sich eben nicht messen."

Manfred Burkhardt, der gemeinsam mit seiner Frau Andrea - bayernweit das "Gesicht" der Sicherheitswacht-Werbekampagne - durch Neuhausen streift, hält sein Engagement jedenfalls für sinnvoll. Genau hinschauen, ansprechbar sein für Bürger, aggressive Bettler vertreiben, öfter mal an Orten vorbeischauen, die nicht regelmäßig ein Streifenwagen ansteuern kann, auf Vermüllung von Spielplätzen oder auf Schmierereien achten - so etwa muss man sich den Einsatz vorstellen.

"Das schadet doch dem Viertel nicht!", rief geradezu flammend Ludwig Gebhard (Freie Wähler), selbst einst als Sicherheitswachtler in München unterwegs, in die Runde. Auch CSU-Fraktionssprecher Leo Agerer lobte die "wertvolle Unterstützung der polizeilichen Tätigkeit", welche die Bürger positiv wahrnähmen. Der CSU fehlten an diesem Abend vier Fraktionsmitglieder, weshalb die Befürworter, zu denen auch Freie Wähler, FDP und zwei Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Neuhausen (AGS) zählen, so knapp unterlagen.

"Was hat's dem Viertel gebracht?", hielten die Skeptiker dagegen. Früher habe er einmal wöchentlich in der Gewofag-Siedlung den Kontaktbeamten der Polizei getroffen, erklärte SPD-Fraktionssprecher Otmar Petz, im vergangenen Jahr kein einziges Mal mehr, "dafür nur zweimal die Sicherheitswacht". Oliver Belik setzte noch eins drauf: "Sicherheitswacht ist Augenwischerei." Für die SPD ist das eine prinzipielle Sache: "Für Sicherheit und Ordnung ist die Polizei zuständig", so Petz, und die müsse personell entsprechend ausgestattet sein. Inzwischen sehen das auch die Grünen wieder geschlossen so. Im April 2016 hatte ein Teil der Fraktion für die Einführung der Sicherheitswacht gestimmt, wohl auch, um den "netten Herrn Rothdauscher" nicht vor den Kopf zu stoßen, vermutete die Grüne Daniela Stelzer.

Allein entscheidend war die Nettigkeit von Rothdauscher gewiss nicht, damals trugen auch die Umstände zum Erfolg seiner Überzeugungsarbeit bei. Die massenhaften und massiven Übergriffe in der Silvesternacht in Köln lagen erst wenige Monate zurück, in Neuhausen sollten 80 bis 90 Männer in ein Flüchtlingsheim ziehen. Die Polizei bemühte deshalb gerne das Schlagwort "gefühlte Unsicherheit" oder auch "Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls" der Bürger. Denn objektiv ist die Sicherheitslage im Viertel gut.

Die Angst einiger Bürger vor "No-go-Areas" um die Flüchtlingsunterkunft durch die Präsenz der Sicherheitswacht einzudämmen, das habe sie 2016 zur Zustimmung bewogen, sagte Cornelia Dietrich (ÖDP). Aber die Unterkunft wurde nie bezogen, damit entfalle für sie das entscheidende Argument. "Und wir brauchen niemanden, der Spielplätze kontrolliert, oder wer auf welcher Bank sitzt."

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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