Neue Wirtin im Grünwalder Stadion:Heute blau, morgen rot

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Muss neutral bleiben: Wirtin Gabriele Hacker im Stadion. (Foto: Catherina Hess)

Wochenende gibt es künftig nicht mehr, Urlaub nur noch mit Fragezeichen: Gabriele Hacker ist die neue Wirtin des frisch renovierten Grünwalder Stadions. Sie ist Profi in der Gastronomie - und hat für ihr jüngstes Projekt nur ein Ziel.

Von Johannes Knuth

Der Spieltag beginnt für Gabriele Hacker am Donnerstagmorgen um neun, drei Tage vor dem nächsten Spiel im Stadion an der Grünwalder Straße. Hacker wuselt durch den neuen VIP-Raum neben der Haupttribüne, es gibt einiges zu tun. Die kalten, grauen Wände sind nackt, später sollen dort Fotos vom alten Stadion hängen, in großen Leuchtkästen.

Die Sitzpolster für die hellbraunen Bänke fehlen auch noch: blaue für Heimspiele der Sechziger, rote für die Partien der Bayern. Am Samstag ist Tag der offenen Tür, Hacker muss noch am Programm feilen, Aufträge erteilen, Aufträge abschmettern, und reden, immer wieder reden, mit allen Beteiligten. "Man muss immer erreichbar sein", sagt Hacker, "das muss man mögen."

Seit Anfang Juli ist Gabriele Hacker, 52, die neue Wirtin im renovierten Stadion an der Grünwalder Straße. Hacker ist Profi-Gastronomin. Sie führt Restaurants im Michaelibad und im Gilchinger Astopark. Sie ist keine Fußballfanatikerin, keine Rote, keine Blaue. Aber man spürt, dass sie ihre Mannschaft so engagiert führt wie ein Kapitän seine Fußballer: professionell, aber mit Hingabe. Bestimmt, aber immer ansprechbar, für jeden. Führungsstark, aber aufgeschmissen ohne eine Mannschaft im Hintergrund.

Gastronomie, sagt Gabriele Hacker, das bedeutet vor allem, mit Menschen zu arbeiten, mit vielen Menschen. Die muss irgendjemand koordinieren, oft tagelang. Einen Tag vor einem Spiel kommen die Getränke, das Essen. Die Mitarbeiter füllen die Kassen mit Wechselgeld, bestücken die Kioske, mit Salami- und Käsesemmeln, Süßigkeiten, mit Getränkefässern. Mal für 5000 Zuschauer, mal für 500. Oft weiß Hacker nicht, wie viele Zuschauer am Ende kommen, vor manchen Spielen hatte sie zu viel bestellt.

Am Spieltag hält Hacker dann eine Art Mannschaftssitzung ab. Wer macht was, wer liefert nach, wenn etwas fehlt? Ist genügend da, Essen, Becher, Wechselgeld? Hacker klappert jeden Kiosk ab, sie prüft jede Kasse. "Beim Fußball hast du den Rummel vor dem Spiel und während der Pause", sagt sie, "also ganz wenig Zeit, und da muss alles klappen, damit niemand wartet. Die Fans müssen immer das Gefühl haben: Die machen was."

Hacker lebt das vor, das Machen. Morgens um halb acht klingelt zum ersten Mal das Handy, abends um neun zum letzten Mal, vielleicht auch nur zum vorletzten Mal. Spieltage muss sie Tage vorher vorbereiten, Veranstaltungen Wochen früher. "Du hast kein Wochenende, hinter dem Urlaub steht immer ein Fragezeichen", sagt Hacker. Ihr Lebensgefährte, Michael Schönmann, arbeitet im Unternehmen mit, "mir macht das Spaß", sagt er. Sie redet, er kümmert sich um den Papierkram. Er entwirft Konzepte, sie setzt sie in der Praxis um. "Man füllt so seine Defizite auf", sagt Hacker, "für mich ist das eine große Erleichterung."

Hackers Stärke? "Das Reden, die Kommunikation", sagt sie. Wer Hacker per Handy erreichen will, muss sich gedulden. Sie telefoniert viel, mit Verkäufern, mit Funktionären von 1860, von Bayern, mit den Pächtern, den ganzen Tag über. "Das ist für mich greifbarer", sagt sie, "lieber habe ich den ganzen Tag Menschen um mich rum, als wenn ich mit meinem Computer rede."

Derzeit kommuniziert Hacker besonders viel. Jetzt, da noch vieles neu ist im Stadion. Bei den ersten Spielen war mal der Strom weg, dann machte die Kühlzelle schlapp. Die Fans meckerten, weil die Bierbecher angeblich kleiner geworden sind ("Die waren schon immer so groß", sagt Schönmann). Der Verein "Freunde des Sechz'ger-Stadions" wollte ebenfalls Bier ausschenken, Hacker lehnte ab. Man sei ja gut besetzt, mit bis zu 25 Mitarbeitern, außerdem müsse sich das Geschäft lohnen. Für ihren Beruf, sagt Hacker, sollte man einiges mitbringen: "Viel Geduld, viel Energie, und ein dickes Fell, an dem viel abprallt." Wenn sich jemand hartnäckig beschwert, sucht sie das Gespräch. Danach ist die Sache meist erledigt.

Hacker ist schlachterprobt. 1991 übernahm sie ihr erstes Lokal, das "Pils Pub" in Grafing. Dann ein Musikcafé in Forstern, die Gastronomie beim MTTC Iphitos (als bei den BMW Open Boris Becker und Michael Stich spielten), das Franziskaner in Haching, eine Cocktailbar in Unterföhring, die Gastronomie im Michaelibad. Jetzt also das Stadion. Den Zuschlag erhielt sie, weil sie erfahren ist, und neutral - bis auf ihre Fingernägel, die sind an diesem Donnerstagmorgen löwenblau lackiert. Hacker beteuert: "Wir freuen uns über alles, was bayerisch ist und gewinnt."

In dieser Hinsicht hat sie die erste, große Herausforderung schon gemeistert: das Derby in der Regionalliga Anfang August zwischen 1860 II und Bayern II. "10.000 Leute, ich hatte schon ein bisschen ...", sagt Hacker, sie verzieht das Gesicht. Es lief dann alles glatt, auch im VIP-Raum. Dort waren die Bayern unter sich, weil der Raum nur für die Gäste auf der Haupttribüne geöffnet war. Am Samstag ist nun also der Tag der offenen Tür, am 9. November steigt das Derby-Rückspiel, dann haben die Sechziger Heimrecht. Hacker will Veranstaltungen außerhalb der Spieltage anbieten, Geburtstage, Fanklub-Veranstaltungen, solche Sachen.

Hauptsache, es herrscht Betrieb.

© SZ vom 14.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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