Nahverkehr:München kauft 13 neue Trambahnen, doch nur vier davon dürfen fahren

"Avenio" Straßenbahn in München, 2015

Ausgebremst: Etliche Züge der neuesten Trambahn-Generation stehen ungenutzt in den Depots.

(Foto: Florian Peljak)

Die restlichen Züge stehen ungenutzt in den Depots, da sich die Zulassung durch die Regierung in die Länge zieht - mal wieder.

Von Andreas Schubert

Anfang August hat die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) die letzten von 13 nagelneuen Trambahnen vom Typ Avenio geliefert bekommen. Doch nur vier davon sollen noch dieses Jahr auf Münchens Straßen rollen. Wann die restlichen eingesetzt werden, ist ungewiss. Sie harren der Zulassung durch die Regierung von Oberbayern, die sich mal wieder in die Länge ziehen wird - obwohl die Fahrzeuge im Linienverkehr dringend gebraucht werden und bereits acht Avenio-Züge in München unterwegs sind.

Insgesamt 22 nagelneue Zugeinheiten vom Hersteller Siemens stehen derzeit ungenutzt im Depot. Das sind vier Vierteiler, neun Zwei- und neun Dreiteiler. Die beiden Letzteren werden nur gekoppelt auf der Straße unterwegs sein, sodass es sich unterm Strich um 13 Straßenbahnen handelt. Die vier vierteiligen Avenios sollen zum nächsten Fahrplanwechsel eingesetzt werden.

Die neuen Züge müssen komplett neu auf Herz und Nieren geprüft werden, wie MVG-Sprecher Matthias Korte erklärt. Es handle sich zwar auch um Avenio-Züge, aber diese seien nicht die gleichen wie die Vorgänger, sagt er. Denn in den neuen Trams ist einerseits eine neue Technik verbaut, andererseits sind sie leichter als die Vorgänger-Modelle. Wann die restlichen 18 Zugeinheiten zugelassen werden, ist völlig offen, obwohl auch diese laut Korte bereits geprüft werden.

Warum das so lange dauert? Für die Prüfung gibt es keine bundeseinheitliche Checkliste, wie sie zum Beispiel der TÜV für Autos hat. Die MVG muss deshlab einen Prüfkatalog mit der Regierung von Oberbayern vorab abstimmen. Die Prüfung besteht aus einem analytischen und einem versuchstechnischen Teil. Derzeit läuft die versuchstechnische Prüfung, die Hersteller Siemens und die MVG selbst vornehmen. Die Ergebnisse werden nach den Versuchen der Regierung von Oberbayern zur Prüfung und Bewertung vorgelegt. Geprüft werden unter anderem alle Aspekte der Sicherheit, das Konzept der Instandhaltung und wie laut ein Zug ist. Für jede Stadt gibt es bei der Prüfung andere Gegebenheiten zu berücksichtigen: Kurvenradien, die Tragfähigkeit von Brücken oder das sogenannte Lichtraumprofil, also der Platz, den ein Zug braucht - schließlich müssen zwei sich begegnende Züge aneinander vorbei passen.

In eine Avenio passen 220 Passagiere, in die alten R2-Wagen nur 168 Fahrgäste

Dass sich eine Tramzulassung hinzieht, ist in München nichts Neues. Zur Erinnerung: Bei der Zulassung der Vario-Bahnen gab es mehrfach Schwierigkeiten. Unter anderem musste die Stadt Gutachten darüber erstellen lassen, dass Brücken, über die die Züge fahren sollen, tragfähig sind; die Stadtwerke mussten sogar in der Thierschstraße Gleise verlegen, damit sich die Züge in Kurven nachweislich nicht berühren. Auch bei der ersten Avenio-Generation gab es immer wieder Rückschläge: Zunächst standen auch diese Züge monatelang ungenutzt herum, dann bekamen sie eine vorläufige Betriebserlaubnis, die aber wegen bürokratischer Hürden zunächst nicht verlängert wurde.

Im Anschluss trafen sich MVG und die Regierung von Oberbayern vor Gericht, wo Verfahrensfragen ein für allemal geklärt werden sollten. Unter anderem ging es darum, welche Details im Instandhaltungsbuch aufs Neue genehmigungspflichtig sind - ein Detail war etwa der zum Scheibenputzen verwendete Reiniger. Zum Zweiten ging es um Verfahrensfragen für die Zulassung. Die Parteien einigten sich letztlich zugunsten der MVG. Einen erneuten Gang vor Gericht will die Verkehrsgesellschaft dieses Mal unbedingt vermeiden. Man arbeite konstruktiv miteinander, so Korte, nicht gegeneinander. Schließlich sei es nicht nur im Interesse der MVG, sondern auch des Freistaats, wenn die Züge möglichst schnell auf die Schiene kommen.

Eine rasche Lösung wäre vor allem aber im Interesse der Passagiere. Die neuen längeren Züge sind für die MVG unverzichtbar, um bei wachsender Nachfrage ein vernünftiges Angebot anbieten zu können. Gerade die Linien 20 und 21 sind auf dem Abschnitt zwischen Stachus und Hochschule München sehr gut ausgelastet. Auf diesen Linien haben die Stadtwerke auch bereits alle Haltestellen verlängert. Zum Vergleich: In eine Avenio passen 220 Passagiere, in die alten R2-Wagen 168 Fahrgäste.

Wohl noch dieses Jahr werden die Stadtwerke Dutzende weitere Trambahnen bestellen. Wie viele genau, müssen die Planer erst noch eruieren. Zu berücksichtigen ist dabei auch die künftige Gestaltung der Linien und der Ausbau des Streckennetzes. Derzeit sind 113 Straßenbahnen in München unterwegs, 68 davon sind vom kleineren Typ R2. Tatsächlich sind sogar noch drei uralte P-Wagen als Reserve in Betrieb. Diese Oldtimer sehen zwar hübsch aus, für Menschen mit Behinderungen sind die hohen, Ende der 1960er-Jahre gebauten Wagen allerdings ein echtes Problem.

Zur SZ-Startseite

Feierabend
:München ist die Hauptstadt des Nahverzehrs

Nirgendwo sonst kann man auf dem Heimweg so vielen Menschen bei der Nahrungsaufnahme in Bus und Bahn zuschauen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: