Nachruf:Der Mann, der Udo Jürgens groß machte

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Hans R. Beierlein, Musikproduzent und Gründer der Plattenfirma Montana, ist im Alter von 93 Jahren gestorben. (Foto: Marc Müller/dpa)

Der Musikmanager Hans R. Beierlein ist mit 93 Jahren gestorben. Er war ein Vermarktungstalent - sogar die DDR musste ihm Tantiemen für "Die Internationale" zahlen.

Von Dirk Wagner

Zu seiner eigenen Beerdigung würde er hingehen, hat der Münchner Musikmanager Hans Rudolf Beierlein einmal gesagt. Anderen Beerdigungen blieb er möglichst fern, weil er sie hasste. Folgerichtig wünschte er sich auch auf der eigenen Beerdigung keine Gäste. Darum war nur seine Adoptivtochter Bizzi Nießlein zugegen, als die Asche des am 5. August verstorbenen Musikverlegers auf dem Schlierseer Friedhof bestattet wurde. Erst danach wurde bekanntgegeben, dass einer der bedeutendsten Medienmanager Deutschlands mit 93 Jahren in München verstorben ist.

Dass er zum Beispiel Udo Jürgens entdeckt hatte und in einen Weltstar verwandeln konnte, ist nur eines der Verdienste des Mannes, der seine berufliche Karriere ohne Schulabschluss gestartet hat. Regelrecht reingeschwindelt hat sich der gebürtige Nürnberger in die Karriere, als er sich in Fürth als Chefredakteur einer künftigen Illustrierten vorgestellt hat. Prompt wurde er als Juror zu einem Schönheitswettbewerb geladen, genoss dort den Sekt und wurde Zeuge einer Prügelei zwischen der Siegerin der Miss-Wahl und der Zweitplatzierten. Diese Prügelei verkaufte Beierlein der Münchner Abendzeitung als seine erste Geschichte. Der Journalist Beierlein war damit geboren und schrieb nun fleißig Filmkritiken.

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Dann wurde er Filmbeauftragter der Deutschen Grammophon und erkannte, wieviel Geld zu verdienen ist, wenn er sich selbst die Liedrechte für Musikfilme sichern würde, die er anfangs nur im Auftrag besorgt hat. Also gründete er Ende der 50er Jahre seinen eigenen Musikverlag, der 1959 gleich drei Hits führte. Im selben Jahr brachte Beierlein die Fachzeitschrift "Musikmarkt" heraus, in der er sogleich die erste deutsche Hitparade etablierte. Dabei verstand er nach eigenem Bekunden von Musik soviel wie ein Pinguin. Dafür aber verstand er etwas von ihrer Vermarktung - und war sich der Bedeutung des Fernsehens dabei bewusst. Also ersann er TV-Formate wie die Videoclip-Show "Formel Eins" oder den "Grand Prix der Volksmusik". Während er in solchen Shows auch Musik aus dem eigenen Verlag vermarkten ließ, präsentierte er die Shows selbst wieder auf Schallplatte.

"Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler", kommentierte Beierlein, den der Alt-Kanzler Helmut Schmidt auch mal als "medialen Gemischtwarenhändler" tituliert hatte, Fragen nach seinem persönlichen Geschmack. Dass er sogar die Rechte für "Die Internationale" gekauft hatte, um sodann auch von der DDR die fälligen Tantiemen für die Verwendung des kommunstischen Kampfliedes zu kassieren, dürfte wohl zu den witzigsten Coups dieses ausgekochten Geschäftsmannes zählen.

Nicht die Pfütze, sondern der Regenbogen, der sich darin spiegelt, sei stets sein Thema gewesen. Tatsächlich hatte er aber auch oft genug den darin gespiegelten Regenbogen erkannt, als andere nur eine Pfütze sahen. In einer Zeit, als der französische Präsident Charles de Gaulle und der westdeutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer sich nach einer fast schon traditionellen Feindschaft um eine deutsch-französische Freundschaft bemühten, fand der noch junge Hans Rudolf Beierlein Gefallen am französischen Lebensstil, am französischen Essen und vor allem an der französischen Musik.

Für den deutschsprachigen Markt ließ er darum auch französischsprachige Lieder ins Deutsche übersetzen. So textete in seinem Auftrag der Kabarettist Werner Schneyder die Lyrik des belgischen Liedermachers Jacques Brel neu. Der Burgschauspieler Michael Heltau gab den übersetzten Chansons seine Stimme. Und prompt fiel Beierlein auch dafür wieder die passende Fernsehshow ein: der ZDF-Liedercircus, der sogar von Michael Heltau moderiert wurde.

Gleichzeitig holte Beierlein Mitte der Siebzigerjahre in seiner Konzertreihe "Die Franzosen kommen" französische Sänger nach Deutschland. Dafür wollte ihm Frankreichs Kulturminister Jack Lang 1982 den französischen Verdienstorden verleihen. Doch Beierlein empfahl sechs andere Mitstreiter, wie etwa Alfred Biolek, die sich in Deutschland für französische Chansons stark gemacht haben. Das wirkt bescheiden, ist letztlich aber nur konsequent für einen Mann, der lieber im Hintergrund blieb. Entsprechend sind all seine Leistungen am Ende berühmter als er selbst.

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