Nach VG-Wort-Urteil:Verleger sehen ihre Existenz bedroht

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Nach dem BGH-Urteil fühlen sich viele Verlage finanziell bedroht. Sie sollen künftig keine Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft VG-Wort mehr bekommen. (Foto: Robert Haas)

Künftig sollen sie nicht mehr von Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft profitieren - ein herber Schlag im Kampf gegen elektronische Konkurrenz und die Macht Amazons.

Von Antje Weber

Von Entsetzen ist die Rede, von Katastrophe gar: Spricht man in diesen Tagen mit Münchner Verlegern und Autoren über das noch frische VG-Wort- Urteil, dann sind sie sich weitgehend einig. Ende vergangener Woche, soviel muss man erklären, hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Revision gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München zum Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaft VG Wort zurückgewiesen.

Einfacher gesagt: Erhielten bisher sowohl Verlage als auch Autoren regelmäßig Geld aus den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft - deren Sitz in München ist -, so sollen nach der Klage eines Wissenschaftsautors nun die Verlage davon ausgeschlossen werden. Dabei geht es um viel Geld aus Kopierabgaben: Publikumsverlage erhielten bisher 30 Prozent, wissenschaftliche Verlage sogar 50 Prozent der Ausschüttungen in ihrem Bereich.

Glück für die Autoren, Pech für die Verlage? So einfach ist die Sache nicht. Ob die Autoren von diesem Urteil so viel haben werden, bezweifelt man zum Beispiel beim Branchenriesen Random House. Deren Chef Frank Sambeth bedauert in einem Statement das Urteil und sieht die Gefahr, dass der einzige "Nutznießer des Rechtsstreits letztlich die Geräteindustrie sein wird".

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Keinesfalls sei sicher, dass der bisherige Verlagsanteil künftig den Autoren zukommen werde; erste Stellungnahmen der Geräteindustrie, so Sambeth, ließen "vielmehr befürchten, dass zukünftige Ausschüttungen um den bisherigen Verlegeranteil gekürzt werden könnten".

Ohnehin ist das Los der Autoren nun einmal eng mit dem der Verlage verknüpft. Und wenn die nun weniger Geld bekommen, ja sogar bis zurück ins Jahr 2013 Ausschüttungen zurückzahlen sollen, wird es für manche kleineren Unternehmen eng. Zum Beispiel für den Ein-Mann-Verlag von Peter Kirchheim: "Ich weiß nicht, wie das unter diesen Umständen weitergehen soll", sagt er, "vom Gewinn ist dann ein Drittel weg." Bei ihm kommen allerdings mehrere Faktoren zusammen: Er hat vor drei Jahren durch einen Lager-Brand große Verluste erlitten und denkt mit 79 Jahren ohnehin allmählich ans Aufhören.

Hört man sich bei anderen unabhängigen Verlagen um, ist von Existenzbedrohung immerhin nicht die Rede. Doch der Frust ist groß: "Das ist eine Katastrophe für uns", sagt Albert Völkmann vom A1-Verlag, "ein herber Rückschlag." Auch Jürgen Kill von Liebeskind sagt: "Finanziell ist das ein harter Schlag ins Kontor." Vor allem fühlt er sich ungerecht behandelt: "Wir bringen sehr viel mehr Leistung, als gemeinhin angenommen wird. Wir verkaufen ja keine fertigen Bücher, sondern wir machen sie!"

Silke Weniger, als zusätzliche Agentin glücklicherweise nicht vom Gewinn ihrer kleinen Edition fünf abhängig, hält das Urteil ebenfalls für eine "Katastrophe". Die Verlage, glaubt sie, hätten wohl "all die Jahre versäumt, ihren Anteil an einem Werk darzustellen". Und auch die Verlegerin Antje Kunstmann findet es "kurios", dass die Leistung der Verlage so wenig in der Öffentlichkeit gewürdigt werde. "Ruinös" findet sie das Urteil: "Man steht fassungslos davor!"

"Ruinös" und "kurios" findet Verlegerin Antje Kunstmann das Urteil zu den VG-Wort-Auszahlungen an Verlage und Autoren. Jürgen Kill von Liebeskind sieht die Leistung seiner Branche nicht angemessen gewürdigt. (Foto: Rumpf, Peljak)

Was die Folgen angeht, so fürchtet sie: "Die ganz schwierigen Projekte wird man sich künftig dreimal überlegen." Wissenschaftsverlage, das ist ihr klar, werde das Urteil allerdings noch viel stärker treffen als ihren eigenen Sachbuch- und Belletristik-Verlag.

Münchner Wissenschaftsverlage? Da denkt man sofort an C.H. Beck. Das Traditionsunternehmen wird in Literatur, Sachbuch und Wissenschaft von Jonathan Beck geleitet, in den Bereichen Recht, Steuern und Wirtschaft von Hans Dieter Beck. Letzterer will auf SZ-Anfrage keinen Kommentar abgeben, obwohl der Verlag im Verfahren als Streithelfer der VG Wort beteiligt war. Die Position ist jedoch recht klar: Laut Buchreport will C.H. Beck die Urteilsbegründung abwarten und dann prüfen, ob man Verfassungsbeschwerde einlegt.

Ein beliebtes Zubrot

Und wie steht es nun um die Autoren? Die sehen das Urteil naturgemäß unterschiedlich. Im Gegensatz zu manchen Internetforen möchte niemand helle Freude bekunden; manche Autoren äußern sich lieber gar nicht. Die Münchner Sachbuchautorin Gunna Wendt ist nach anfänglicher Freude schnell nachdenklich geworden, erzählt sie. Die VG-Wort-Zahlung finde sie natürlich toll, "aber das ist nur eine Zusatzgeschichte".

Irritiert hat sie die "Hysterie" von allen Seiten, und sie wünscht sich, dass die Fakten transparenter gemacht würden. Der Schriftsteller Hans Pleschinski wiederum macht aus seinem Entsetzen kein Hehl. Er fürchtet ein Verlagssterben: "Es herrscht schon genug geistiger Kahlschlag. Wir wollen nicht die Prärie von Idaho, die Tundra oder die Wüste Saudi-Arabiens sein."

Wie die Zukunft genau aussehen wird, weiß niemand; krisengeschüttelt ist der Buchmarkt ohnehin. Wie sagt Verlegerin Kunstmann: "Man hat es ja sowieso schon nicht leicht: Amazon wird immer stärker, die Buchhandlungen werden zögerlicher - und trotzdem gibt es noch so viele gute Bücher!" Noch also gilt: Die Wüste lebt.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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