Nach Massenschlägereien:Faschingsumzüge außer Kontrolle

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Reste vom Fest: Wo exzessiv getrunken wird, wie auf Faschingsumzügen oder Volksfesten, kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüche (Foto: DAH)
  • Nach dem Faschingsumzug in Weichs im Landkreis Dachau kam es zu Schlägereien mit 30 zum Teil Schwerverletzten.
  • In der Region gibt es bei Veranstaltungen immer wieder Probleme mit gewaltbereiten Besuchern.
  • Meist stehen betrunkene Jugendliche hinter den Randalen.
  • Jetzt werden Forderungen nach mehr Polizeipräsenz bei Festen laut.

Von Günther Knoll und Susi Wimmer

Stimmt schon, das Raufen hat im bayerischen Brauchtum Tradition. Wenn in einschlägigen Erzählungen von Feiern die Rede ist, dann gehört der Rausch ebenso dazu wie Schlägereien, bei denen nicht nur Fäuste, sondern auch Masskrüge eingesetzt werden. Doch mit Verklärung lässt sich das Ausmaß, das Alkoholkonsum und Gewalt heute mancherorts annehmen, nicht entschuldigen. Der Kehraus nach dem Faschingszug in Weichs mit 30 zum Teil Schwerverletzten, der die Verantwortlichen ratlos zurücklässt, ist kein Einzelfall: die nahe Kreisstadt Dachau mit dem billigen Volksfestbier, Freising, Bad Tölz, Anzing - überall arteten und arten Feste aus. Meist macht man betrunkene jugendliche Randalierer als die Schuldigen aus. Die Reaktionen reichen von Absagen über strenge Auflagen und einschneidende Veränderungen bis zum Schulterzucken. Und: mehr Polizeipräsenz bei Festen.

Waging, Tüssling, Teisendorf: Überall im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd werden Faschingszüge abgehalten, "mit den bekannten Problemen", wie Polizei-Pressesprecher Frank Konrad sagt. Wo viele Menschen zusammenkommen, wo gefeiert wird, und der Alkohol in Mengen fließt, "da haben wir vermehrt Schlägereien, Ruhestörungen". Mit Zahlen und Statistiken zu den diversen Veranstaltungen, ob im Fasching oder das Jahr über, kann Frank Konrad nicht aufwarten. "Gefühlt meint man immer, das mit der Gewalt wird immer schlimmer", sagt er. Allerdings, so Konrad, habe es Raufereien schon immer gegeben, "früher hat halt keiner deswegen die Polizei gerufen". So eine "totale Eskalation" wie in Weichs, räumt er ein, habe er aber noch nicht erlebt.

Nach Faschingsumzug
:Gewaltorgie in Weichs

Der Faschingsumzug in Weichs endet in brutalen Schlägereien. Die Polizei wird den vielen ungewöhnlich stark betrunkenen und aggressiven Jugendlichen kaum Herr.

Von Anna-Sophia Lang

Ihren Faschingsumzug wollen die Weichser dennoch auf jeden Fall behalten. Die "Auskehr" aber, die danach in einem eigenen Festzelt gefeiert wurde, wird es wohl nicht mehr geben, nachdem die Polizei mit den Auswüchsen nicht mehr fertig wurde. Eine BRK-Helferin wurde von einem Jugendlichen angegriffen und schwer verletzt, auch elf andere Festteilnehmer mussten ins Krankenhaus. Schnell sind Lokalpolitiker dann dabei, die Schuld dafür anderen zuzuschieben. In diesem Fall sollen es auswärtige Schlägertrupps gewesen sein, die nach Weichs kamen, um Randale zu machen. Die Party soll nun fürs nächste Jahr abgesagt werden, nach dem Zug um 18 Uhr wird ein Alkoholverbot verhängt.

In Unterschleißheim gibt es nur noch rund ums Rathaus Alkohol

Letzteres gibt es auch in der Stadt Unterschleißheim. Dort war das Feiern nach dem Faschingszug mehrmals ausgeufert. Außerhalb der Veranstaltungsfläche um das Rathaus darf jetzt kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden, außerdem ist das Mitführen von Glasflaschen verboten. Zusammen mit der Polizei hat man ein Sicherheitskonzept für den Umzug entwickelt, das auch einen privaten Sicherheitsdienst einschließt. Den zahlen die Stadt und der Veranstalter, der Unterschleißheimer Faschingsclub. "Das ist sein Geld wert", heißt es aus dem Ordnungsamt des Rathauses. Heuer habe man eine "Superrückmeldung" der Polizei bekommen - keine Alkoholexzesse, keine Schlägereien, alles friedlich.

In Anzing im Landkreis Ebersberg hatte der Burschenverein seine Rosenmontagsparty sogar ein Jahr ausfallen lassen, nachdem auch dort die Lage eskaliert war und sogar Flaschen auf Polizeibeamte geworfen worden waren. Vermittlungsgespräche zwischen Gemeinde, Stadt und Burschen über Auflagen fruchteten wenig. Vor allem, dass die Burschen zu ihrer Fete weiter im Internet einluden, wollte man verhindern. In diesem Fasching wurde nach der Veranstaltungspause erstmals wieder gefeiert und das "ohne Probleme", wie Manfred Winter, stellvertretender Leiter der zuständigen Polizeiinspektion in Poing, sagte. Die Polizei habe extra eine Sonderstreife nach Anzing beordert. In erster Linie habe man die Sorge gehabt, dass jemand auf die dort stark befahrene Staatsstraße laufen könne. Aber alles sei diesmal friedlich geblieben.

Wo gefeiert wird, wird getrunken, besonders stark war das auch auf dem Freisinger Frühlingsfest der Fall. Dessen Tradition währte relativ kurz. Bis es nach seiner 15. Auflage 2009 durch das Uferlos-Festival ersetzt wurde, gab es immer wieder Klagen über Alkoholexzesse und Schlägereien. Während die Freisinger ihr Volksfest im September lieben, blieben sie der Parallelveranstaltung im Frühling weitgehend fern, so dass im Bierzelt viel Platz war für junge Leute, die dort hauptsächlich saufen und randalieren wollten. Der Stadtrat hatte kein Problem, stattdessen dem Uferlos-Veranstalter den Zuschlag für diesen Festtermin zu geben. Seitdem geht es zwar bunt und bisweilen laut zu im Mai auf dem Freisinger Volksfestplatz, Alkoholleichen und Schläger aber sind verschwunden.

Wallfahrt artete in Saufgelage aus

Doch es sind nicht nur weltliche Feste, die Gelegenheit zum Trinken und Raufen bieten. Diese bittere Erfahrung mussten die Veranstalter der Tölzer Leonhardifahrt im November 2010 machen. Da artete die traditionsreiche Wallfahrt in ein Saufgelage aus, was nicht nur den Weihbischof Wolfgang Bischof entrüstete. Daraufhin erarbeiteten die Verantwortlichen ein Sicherheitskonzept, das den Wallfahrtscharakter in den Vordergrund stellt. So gilt am Leonharditag, dem 6. November, ein generelles Alkoholverbot auf allen öffentlichen Flächen. Und auf den Brauch, von den geschmückten Wägen herunter Schnaps an die Wallfahrer zum Aufwärmen auszuschenken, hat die Stadt ein genaues Auge. Außerdem sind Mitarbeiter des Jugendamts unterwegs um zu kontrollieren, dass an Minderjährige kein Alkohol ausgeschenkt wird. Dazu will man die Fahrt nur noch an Wochentagen veranstalten, um so die Besucherzahl zu senken.

Und was den religiösen Charakter angeht: Inzwischen wird der Gottesdienst vom Kalvarienberg per Lautsprecher übertragen, so dass jedem klar ist, dass er an einem kirchlichen Fest teilnimmt. All diese Maßnahmen greifen. Inzwischen hat man in Tölz ein harmloseres Problem: Gäste, die sich die Leonhardifahrt ansehen wollen, parken mit ihren Autos den Zugweg oder die Anfahrtswege zu.

© SZ vom 23.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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