Stadt lässt vorübergehende Unterkunft räumen
Fünf Tage nach Ende ihres Hungerstreiks am Sendlinger-Tor-Platz müssen die Flüchtlinge ihre vorübergehenden Unterkünfte in München verlassen. Sieben Männer - jene die bei der Räumung des Camps von Mittwoch auf Donnerstag auf Bäume geflüchteten waren - haben die letzten Tage in einem Hotel verbracht. Fünf weitere Flüchtlinge waren zwischenzeitlich in der Event Arena im Olympiapark untergebracht worden. Nur ein bis zwei der Flüchtlinge, die tagelang in München protestiert und gehungert hatten, kommen tatsächlich aus der Landeshauptstadt. Sie hatten sich bundesweit organisiert, um nach München zu reisen - und sollen nun nach dem Willen der Stadt wieder in ihre Unterkünfte zurückkehren.
Angeordnet hat dies Oberbürgermeister Dieter Reiter. "Eine Vereinbarung gilt nicht nur in eine Richtung. Ich habe mich an alles gehalten, was ich den Protestierenden in Aussicht gestellt habe", teilte der SPD-Politiker mit.
Zwei Versionen vom Polizeieinsatz
Am frühen Dienstagnachmittag rückte deshalb die Polizei mit mehreren Einsatzwagen an, um sicherzugehen, dass die Flüchtlinge Hotel und die Event Arena verlassen. Wie der Einsatz abgelaufen ist, davon gibt es zwei Versionen. Der Polizei zufolge räumten sie ihre Unterkünfte ohne größeren Widerstand.
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Auf der Internetseite refugeestruggle.com wird die Aktion anders dargestellt: "Die ersten Geflüchteten werden mit Gewalt in Autos gezwungen. Einer wurde hierzu mit massiver Gewalt auf den Boden geworfen, wieder aufgehoben und ins Auto gepfercht." Von etwa 20 umstehenden Polizeifahrzeugen ist die Rede.
Dass der Einsatz zumindest nicht konfliktfrei ablief, ist durchaus denkbar. Bereits am Tag zuvor hatten die Flüchtlinge mitgeteilt: "Für uns gibt es kein Zurück. Keine Lagerunterbringung mehr, keine Missachtung der Menschlichkeit mehr. Wir fordern Unterbringung in Wohnungen um Teil der Gesellschaft zu sein."
Polizei erstattet Anzeige gegen vier Flüchtlinge
Wer recht hat oder ob die Wahrheit zwischen den zwei Versionen liegt, ist am Dienstagabend unklar. Fest steht dagegen: Fünf Tage nach dem Ende ihres Hungerstreiks am Sendlinger-Tor-Platz haben zwölf Flüchtlinge ihre vorübergehenden Unterkünfte verlassen und werden nun zurück in die Flüchtlingslager gebracht, aus denen sie gekommen waren.
Im Präsidium in der Ettstraße nahm die Polizei am Nachmittag ihre Personalien auf. Noch aufgrund der Vorfälle während der Räumung des Hungerstreiks am Sendlinger Tor erstattete die Polizei nun gegen vier Flüchtlinge Anzeige wegen Verstößen nach dem Ausländergesetz, Nötigung und Beleidigung.
Jener Flüchtling, der sich nun nicht aus dem Hotel hat abholen lassen wollen, soll an diesem Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden. Er habe "Widerstand geleistet", so teilt es die Polizei mit, indem er sich "an einen Baum klammerte". Alle anderen Asylbewerber sollen in reguläre Gemeinschaftsunterkünfte zurückkehren, die zum Teil außerhalb Bayerns liegen. Auf ihrer Homepage bezeichneten die Flüchtlinge das Verhalten der Polizei als "schikanöses Vorgehen".
Nach Hungerstreik:Protestierende Flüchtlinge dürfen in Hotel ziehen
Bei eisigen Temperaturen harrten hungerstreikende Flüchtlinge in der Münchner Innenstadt eine Nacht lang auf Bäumen aus. Am Morgen kletterten sie völlig entkräftet herunter - weil ihnen Oberbürgermeister Reiter ein Versprechen gemacht hat.
Wie Reiter die Räumung rechtfertigt
In einer Mitteilung erklärte Oberbürgermeister Reiter, warum die Stadt sich zu diesem Schritt entschieden hat. Er habe die Versprechen, die er den Flüchtlingen am Morgen nach dem Hungerstreik gegeben habe, eingehalten. Seine Erklärung in Auszügen:
- "Bereits am vergangenen Donnerstag, also noch am Tag der Beendigung des Hunger- und Durststreiks, habe ich Vertreter der Regierungen in Europa, dem Bund und Bayern, Vertreter des Flüchtlingsrats sowie einige Vertreter der Protestierenden zu einem breiten Dialog ins Münchner Rathaus eingeladen. Das Gespräch soll, so mein Terminvorschlag, noch im Dezember stattfinden."
- "Das Sozialreferat der Stadt München hat die Flüchtlinge wie vereinbart vorläufig untergebracht und ihnen über das Wochenende Zeit gegeben, sich gesundheitlich zu erholen. Es war vereinbart, dass alle anschließend in ihre zugewiesenen Unterkünfte zurückgebracht werden."
- "Es hilft weder dem angestrebten Dialog noch den Flüchtlingen in Deutschland insgesamt, wenn jetzt einige wenige für sich Sonderrechte zu erstreiten versuchen."
- "Ich habe einige Vertreter der Flüchtlinge zum politischen Dialog ins Münchner Rathaus eingeladen, Voraussetzung dafür ist aber, dass sich auch die Demonstranten an die Abmachung halten und in ihre Unterkünfte zurückkehren."
Was in den vergangenen elf Tagen passiert ist
Damit enden für die Flüchtlinge elf aufregende Tage in München. Am Samstag vor einer Woche waren 34 Personen aus unterschiedlichen Ländern und Flüchtlingsunterkünften in die Landeshauptstadt gekommen, um mit einem Hungerstreik am Sendlinger-Tor-Platz für ein Bleiberecht, eine sofortige Arbeitserlaubnis und die Abschaffung von Gemeinschaftsunterkünften zu protestieren.
Als die Demonstrierenden am sechsten Tag auch aufhörten zu trinken, waren gleich mehrere von ihnen kollabiert und mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Um die Gesundheit der Flüchtlinge nicht noch weiter zu gefährden, beschloss die Stadt, das Protestcamp am späten Donnerstagabend zu räumen.
Beim Anblick der Polizei liefen einige Asylbewerber davon, andere ließen sich freiwillig abführen - 14 Flüchtlinge klettern auf zwei Bäume, klammerten sich stundenlang in den Wipfeln fest und verharrten dort. Sieben von ihnen hielten bis zum frühen Freitagmorgen durch und setzten ihren Protest in luftiger Höhe fort.
Erst als Oberbürgermeister Reiter und Bayerns Staatsministerin Emilia Müller (CSU) am Sendlinger-Tor-Platz eintrafen und mit den Flüchtlingen verhandelten, lenkten sie ein und stiegen nach und nach vom Baum. Nach dem anschließenden Gespräch in der benachbarten Matthäuskirche hatten alle noch von einem guten und fairen Deal gesprochen. Nicht nur Dieter Reiter, auch die sieben am Gespräch beteiligten Flüchtlinge. Nun, vier Tage später, wollten sie sich offenbar nicht mehr an ihre Versprechungen halten.