Auf der aktuellen Venedig-Biennale stehen sie im Central Pavillon nebeneinander wie Pat und Patachon: Adam und Eva - die eine Figur groß und langbeinig, die andere klein und gedrungen. Umgeben sind die beiden Bronzegüsse Simone Fattals von weiteren reduziert figurativen Plastiken. Ein seltsames Völkchen, das den kleinen Innenhof bevölkert. In München wurden Kleinplastiken aus Ton der libanesisch-amerikanischen Künstlerin im Museum Fünf Kontinente inmitten der Orientabteilung platziert. Hier sind sie umgeben von einem prachtvoll geschnitztem Tor und einer Balkonverkleidung aus Rosenholz, steinernen Grabinschriften, bunt-leuchtenden Keramikornamentfliesen und anderen historischen Objekten aus dem Nahen und Mittleren Osten.
"Ganz wunderbar" findet die 80 Jahre alte Künstlerin die von der Galerie Tanit vermittelte kleine Präsentation. Fast zum Ende der Ausstellung ist sie für zwei Tage nach München gekommen. Ihre Pop-up-Ausstellung ist kein Vergleich zu der riesigen Werkschau, die das Lenbachhaus ihrer im vergangenen Jahr gestorbenen Lebensgefährtin, der Malerin und Poetin Etel Adnan im Kunstbau gewidmet hat. Aber tatsächlich passen Fattals Werke, für die sie kürzlich den mit 20 000 Euro dotierten Rosa Schapire Kunstpreis erhielt, so gut in den Rahmen des Museums Fünf Kontinente, dass man sich vorstellen könnte, das eine oder andere Werk dauerhaft hier installiert zu sehen. Simone Fattals Inspirationsquelle ist oft Mesopotamien, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris. Einige Stelen - eine wirkt wie ein Schutzhaus - weisen Koranzitate auf: "Und nicht du hast geworfen, als du geworfen hast, sondern Allah hat geworfen." Ein Satz, der ihr 2013, als die Stelen entstanden, viel bedeutet habe, erzählt sie.
Bei einem Objekt stand das alte Ägypten mit einer heiligen Leiter Pate. Astarte, eine rohe, pyramidale Tonskulptur, ist vom Libanon inspiriert, die phallische Gilgamesch-Gestalt vom gleichnamigen Epos. Die prähistorische Gottheit, "Déesse Prehistorique", fällt durch ihren kleinen Körper auf, der auf zwei mächtigen Beinen ruht. Beine, die ein Tor zu bilden scheinen, Beine, die man sich gewaltsam vorwärtsschreitend vorzustellen vermag. Die beiden Stiere haben ihre Vorbilder in der sumerischen und ägyptischen Mythologie. Dass Fattal sie so stark auf den Kopf reduziert hat, versteht sie als Hinweis auf die Zerstörung und den Schmerz, unter denen Menschen im Krieg zu leiden haben.
Auch die Rohheit, die den Objekten zu eigen ist, deutet einen Verlust an. Doch hier ist es eher die Angst Simone Fattals, durch ein Zuviel etwas zu zerstören: "Ich arbeite sehr schnell, alles ist im ersten Entwurf enthalten." Etel Adnan nannte ihre Arbeitsweise einen "Akt der Schöpfung". Die verschiedenen Schattierungen des gebrannten Tons hauchen den Objekten Leben ein. Brennen ließ sie die Stücke im südfranzösischen Grasse von dem Keramiker Hans Spinner, der auch für Chillida und Tapies gearbeitet hat. Fattal singt ein Loblied auf die Techniken des Deutschen.
Auch drei Radierungen werden in der Ausstellung gezeigt. Mit ihnen kehrt Simone Fattal in die eigene Vergangenheit zurück: Der eigentlich zwölfteilige Zyklus von 2020 ist der Stadt Damaskus gewidmet. Dort lebte sie bis zu ihrem elften Lebensjahr. Dann schickten ihre Eltern sie auf ein Internat in Beirut. Dort und in Paris studierte sie Philosophie, kehrte 1969 nach Beirut zurück und arbeitete als bildende Künstlerin bis zum Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs. 1980 verließ sie den Libanon und ließ sich in Kalifornien nieder, heute lebt sie in Paris. Die Radierungen sind gänzlich aus der Erinnerung entstanden. Damaskus, das sei wie ein Mythos, schwärmt sie. Und das nicht nur für sie, die die Stadt ihrer Kindheit verloren hat.
Simone Fattal: "... provide me the clay so I can do the making", Museum Fünf Kontinente , Maximilianstraße 42, bis 4. Dezember