Shorttrack:Auf nach Dresden

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Shorttrack hat wegen fehlender Erfolge und Medienpräsenz ein massives Nachwuchsproblem. Auch in und um München, wo Talente allzu schnell abwandern.

Von Daniel Siebenweiber, München

Talent ohne Trainingspartner: Maximilian Kroner wurde bei den Munich Open Dritter seiner Altersklasse. Wie es für ihn weitergeht, ist fraglich. (Foto: Johannes Simon)

Der Bundesadler prangt auf den Ärmeln ihrer Trainingsjacken. Während vorne die Sponsoren aufgereiht sind, steht auf dem Rücken in großen Lettern der Name des Teams: Deutschland. "Das sind die Dresdner", sagt Thomas Seger, Trainer der Münchner Shorttracker. Am Wochenende waren sie bei den Munich Open in der Olympia-Eishalle für den Eislauf-Verein Dresden am Start, zugleich repräsentierten sie die nationale Spitze - in einer Sportart, der in München und Umland Publikum und Perspektiven fehlen.

Dresden ist Bundesstützpunkt der Eisläufer, wer sportlich nach ganz oben will, der geht in die sächsische Landeshauptstadt. Erst im vergangenen Jahr sind auch wieder Münchner Talente nach ihrem Abitur gen Dresden abgewandert, "drei unserer besten", sagt Seger. Der Traum, der sie zu diesem Umzug antreibt, ist Olympia. Die Chancen dafür seien sehr groß, glaubt Seger. Tägliches Training, finanzielle Förderung und ein professionelles Umfeld, wie mit der angeschlossenen Sportschule - das alles können ehrenamtlich geführte Shorttrack-Vereine wie der EHC Klostersee oder der Short Track Long Track Inline Club (Slic) in München nicht leisten.

"Shorttrack interessiert niemanden. Das ist schade."

Beim Höhepunkt des Jahres, den heimischen internationalen Munich Open ( hier geht es zu den Ergebnissen), stellte der Slic mehr als 30 Helfer: Sie schmierten Käsesemmeln, verkauften Kaffee und Kuchen, nahmen die Zeiten und präparierten die Eisbahn. Organisatorin Ina Kaufmann war zufrieden: "Das Event hat sich in der Shorttrack-Szene etabliert." Aber eben nur in der Szene. Neben den 170 Sportlern füllten ihre Betreuer und Familien die Tribünen. "In Deutschland ist Shorttrack noch nicht so weit", sagt Kaufmann: "Die Euphorie, die es in anderen europäischen Ländern gibt, ist hier noch nicht angekommen." Im Gegenteil, die Entwicklung scheint hierzulande rückläufig zu sein. Das findet auch Renate Ulrich, die Cheftrainerin vom EHC Klostersee: "Shorttrack interessiert niemanden. Das ist schade." Auch bei den von ihr veranstalteten bayerischen Meisterschaften im Januar seien trotz Plakataktionen keine Zuschauer gekommen. Ulrich wirkt frustriert: "Es ist ein Armutszeugnis für den Sport und den Verband, der das nicht verhindern konnte."

Die deutschen Shorttracker sind international vergleichsweise erfolglos, ihre Medienpräsenz ist schwach. Deshalb fällt es den Vereinen schwer, Nachwuchs zu gewinnen, auch in und um München. Slic-Trainer Seger probiert es: "Wir laden Grundschulklassen einen Tag ein, am Ende gibt es ein Eis-Abzeichnen, vergleichbar mit dem Seepferdchen beim Schwimmen." Talente wollen sie am liebsten gleich im Klub halten, denn beim Shorttrack legt man in der frühen Technikschulung die Grundlagen für schnelles Eislaufen.

"Die Zuschauerzahlen sind traurig", sagt Trainerin Ulrich

Beim EHC Klostersee hat das zuletzt nicht funktioniert. "Wir haben das alles probiert", sagt Trainerin Ulrich, "aber die Jungs wollen lieber zum Eishockey, die Mädchen lieber zum Eistanz." Folglich schrumpfen die Vereine, die Teilnehmerzahlen bei Wettkämpfen sinken. Bei den Munich Open holten die Grafinger fünf Podiumsplätze - bei nur acht Startern. "Ich bin sehr zufrieden mit den Erfolgen", sagt Ulrich, "aber die Zahlen sind erschreckend und traurig." Bei Slic München ist der Rückgang noch gravierender. Ulrich zufolge hatte der Klub jahrelang mehr als 20 Starter, jetzt waren es nur noch acht.

Slic-Trainer Thomas Seger spricht von einer "Entwicklungsphase", in der sich sein Klub befinde. "Wir hatten viele Kinder dabei, für manche war es der erste Wettkampf überhaupt." Sportlich liefen die Münchner deswegen nur hinterher. Der 14-jährige Daniel Kadra zählt dieses Jahr zu den ältesten Slic-Athleten. Zwar landete Kadra bei den Munich Open im Endklassement nur im Mittelfeld, fuhr aber zugleich persönliche Bestzeit - und war zufrieden: "Es fühlt sich so schnell an, wenn ich in der Kurve die Hand aufs Eis lege", sagt er: "Als würde ich für einen Moment schweben."

Kroner hat keinen passenden Trainingspartner

Eine solche Begeisterung ist selten. Renate Ulrich berichtet von großen EHC-Talenten, die in den vergangen Jahren wegen Perspektivlosigkeit aufhörten. "Der Verband schafft zu wenige Möglichkeiten", sagt sie. Werden Leistungssportler nach ihrer Schulzeit nicht in Bundeswehr oder Bundespolizei aufgenommen, bleibt ihnen nicht viel übrig. Maximilian Kroner ist eines dieser Beispiele: Mit 18 Jahren ist Kroner derzeit einer der erfolgreichsten Shorttracker des EHC Klostersee. Bei den Munich Open wurde er in seiner Altersklasse Dritter, obwohl er "nicht mal die Hälfte der Eiszeiten" habe wie die Konkurrenz aus Dresden, wie Ulrich betont. Kroner macht eine Lehre und übt viermal pro Woche nach der Arbeit auf dem Eis. Wie es für Kroner weitergeht, ist allerdings fraglich. Weder in Grafing noch in München hat er einen passenden Trainingspartner.

Da hilft auch die neue Kooperation der beiden Klubs wenig, sie soll die Qualität im Training steigern. Einmal in der Woche laufen sie gemeinsam auf dem Münchner Eis, noch passiert das aber nur unregelmäßig. "Es ist ein ziemlicher Aufwand für uns", sagt Renate Ulrich von den Grafinger Shorttrackern. Mehr als eine Stunde dauere die Anfahrt mit der Bahn, das sei für die 12-, 13-Jährigen viel zu lang. Der Verband müsse an der Basis mehr investieren, fordert Ulrich. Die Münchner Shorttracker würden das begrüßen, auch wenn sie wissen, dass der Weg nach Olympia auch künftig über Dresden geht.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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