Was tut einer, der einst die ganze Stadt als Bühne hatte, dem es nie an Worten fehlte, in seinem ganz eigenen Idiom, und der nun einen ganzen Abend lang in einer fremden Sprache reden muss? Und zwar nicht, das ginge ja noch, in Mykonos' Greeklish (tria usakia, please).
Christian Ude hat sich am Dienstagabend in der Münchner Muffathalle für die Flucht nach vorn entschieden. Er betritt das Podium als erster, bekennt, dass er im Englischen einst der "Schlechteste nicht nur in der Klasse, sondern in der ganzen Schule" war. Jüngst aber, sagt Ude, habe er seine alten Vokabelhefte herausholen und dann auch noch zwei Bücher von einem gewissen Yanis Varoufakis lesen müssen. Sagt dies in astreinem Oxfordian-Bavarian (weshalb dieser Text eigentlich ein Hörbuch sein müsste) und fügt hinzu: Wenn das Publikum ihn jetzt nicht verstehe, "then is this your problem". Johlen, Lachen. Beifall. Da hat Ude das Publikum in der Halle schon gewonnen, bevor Showman Number Two überhaupt ins Scheinwerferlicht tritt.
Wie Ude Varoufakis überrumpelt
Yanis (den ganzen Abend bleibt man auf der Bühne beim Vornamen) kontert dann, indem er erst einmal den Titel der Veranstaltung dekonstruiert. "Under Construction: Europe" hat das Muffatwerk den Abend überschrieben, der Auftakt zu einer ganzen Reihe in diesem Jahr sein soll. Europa befinde sich gar nicht "under construction", sagt Yanis Varoufakis, sondern im Gegenteil im Zustand der "deconstruction". Was eine unmittelbare Überleitung zu Griechenland ist.
Der griechische Ex-Finanzminister, der am 6. Juli nach nur fünfeinhalb Monaten zurückgetreten war, ist offensichtlich immer noch sehr mit seiner Amtszeit beschäftigt. "You left power, but your party did not, have you failed?", fragt Moderator Ude dann knapp und bündig - nach eher kurzem Yanis-Solo - im interessantesten Teil der Veranstaltung: dem Frage-und-Antwort-Spiel. Leicht überrumpelt (es kann von Vorteil sein, wenn Fragen aus sprachlichen Gründen zugespitzt werden müssen) antwortet der Gast aus Athen ebenso gerade heraus: "I failed", sure.
Wen Varoufakis zu den Schuldigen des Griechenland-Desasters zählt
Aber zu den Schuldigen für das fortwährende Griechenland-Desaster zählt sich Varoufakis explizit nicht. "Kapituliert" habe die Regierung des linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, mit dem er seit August nicht mehr gesprochen hat. Schon seit Beginn der Krise sei klar gewesen: "Griechenland sollte bestraft werden", von seinen internationalen Geldgebern. Mit seinen eigenen Vorschlägen aber sei er in der Eurogroup, bei den Finanzministern der anderen Euro-Staaten, auf Ignoranz gestoßen: "Als würde ich ihnen die Nationalhymne von Schweden vorsingen."
Da springt Ude mit eigener Erfahrung dazwischen. "You know how complicate it is to pay tax in Mykonos?" hakt er bei Yanis nach. "Ja", sagt der, wenn der Steuerbeamte mit dem Schiff komme, dann wüssten das alle immer schon im Voraus. Die kabarettistische Verknappung beherrschen Yanis wie Christian, wobei der Grieche dazwischen dann doch immer wieder in einen elaboriert-schnoddrigen Redefluss verfällt. Vor allem, wenn es darum geht, was alles hätte besser laufen können in Hellas. "Technically it's very simple", sagt er oft. Beispielsweise über die Einführung einer Parallelwährung zum Euro. Leider dann praktisch nicht durchführbar. Oder seine Forderung nach einem tiefen Schuldenschnitt - politisch leider gescheitert, weil die EU-Partner nicht mitzogen.