Münchner Sicherheitskonferenz:Tränen auf dem Galadinner

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Da John McCain zu krank ist, nimmt seine Ehefrau Cindy den Ewald-von-Kleist-Preis auf der Münchner Sicherheitskonferenz entgegen. (Foto: dpa)
  • US-Senator John McCain wird auf der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem Ewald-von-Kleist-Preis ausgezeichnet.
  • Da der 81-Jährige selbst zu krank ist, hält seine Frau Cindy am Samstagabend während des Galadinners eine Rede.
  • Die Ehrung zeigt, dass einer wie McCain in der amerikanischen Delegation fehlen wird.

Von Christian Krügel

Plötzlich wird es Cindy McCain zu viel. Sie beginnt zu haspeln, wird leiser, dann kommen die Tränen, mit gebrochener Stimme spricht sie weiter. Beschwört noch einmal die Themen, für die ihr Mann John Zeit seines Lebens gekämpft habe: für Freiheit, Gerechtigkeit, faire Chancen für alle, für die menschliche Würde. Und für den Zusammenhalt der westlichen Welt, für eine tiefe, verlässliche Freundschaft zwischen den USA und Europa.

Jetzt kämpft der krebskranke 81-jährige Senator daheim in Arizona den Kampf gegen den Tod, deshalb übernimmt Ehefrau Cindy im Kaisersaal der Münchner Residenz nun seine Rolle: die eindringliche Mahnerin, nicht in kurzer Zeit eine transatlantische Partnerschaft zu zerstören, die mühsam in 70 Jahren aufgebaut wurde.

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Der deutsche Außenminister hält in München die luzideste Rede der ganzen Konferenz. Aber sein eigentlicher Adressat sind nicht die Diplomaten und Außenpolitik-Experten, sondern die Führungsriege der SPD.

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Cindy McCains Tränen sind keine amerikanische Drama-Einlage, das merken die Gäste in der Residenz. Die bayerische Staatsregierung hat für den Samstagabend Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz zum Galadinner geladen, in dessen Mittelpunkt eine Auszeichnung für John McCain stehen sollte, die Verleihung des Ewald-von-Kleist-Preises der Sicherheitskonferenz.

Der republikanische Politiker ist seit Jahrzehnten Stammgast beim Münchner Treffen und hat es oft genug geprägt: mal als knorriger Warner vor neuer russischer Expansion, mal als scharfer Provokateur gegen allzu selbstgenügsame Europäer, mal als harter Kritiker der eigenen Regierung.

Immer habe McCain, so Konferenzleiter Wolfgang Ischinger, aber vor allem die "Werte verteidigt, für die der Westen" stehe. Zu einem engen transatlantischen Bündnis zwischen den USA und Europa habe er nie eine Alternative gesehen, dieses "zu achten und zu bewahren" sei bis heute sein Ziel. Und: "Wir haben in diesen Tagen gesehen, wie sehr er vermisst wird."

Einer wie John McCain fehlt

In der Tat haben die ersten beiden Tage der Sicherheitskonferenz gezeigt, dass insbesondere in der amerikanischen Delegation einer wie John McCain fehlt, einer der leidenschaftlich für ein neues enges Bündnis zwischen Washington und Europa kämpft und Visionen aufzeigt, wie es gemeinsam Weltpolitik gestalten könnte. Nur Donald Trumps Sicherheitsberater Herbert McMaster hatte am Samstag als offizieller US-Vertreter bei der Konferenz gesprochen, eher lauwarme Worte.

Jetzt muss sich die amerikanische Delegation im Kaisersaal das hohe Lied auf John McCain anhören. Der hat trotz seiner Krebserkrankung seinen Sitz im Senat nicht aufgegeben und kritisiert immer wieder scharf die Trump-Administration. Ohne diese auch nur einmal beim Namen zu nennen, tut dies nun auch Joe Biden. Ausgerechnet der frühere Vize von Präsident Barack Obama spricht die Laudatio auf seinen alten persönlichen Freund und zugleich politischen Rivalen.

2008 war McCain für die Republikaner gegen Obama und Biden bei der Präsidentschaftswahl angetreten. Aber selbst im Wahlkampf habe McCain "nie seine Prinzipien von Respekt und Achtung vor dem Gegner aufgegeben", so Biden - ein erster Hieb gegen Trump. Solch gegenseitiger Respekt unter Partnern und Nationen sei bislang auch immer Grundlage amerikanischer Außenpolitik gewesen, nicht ein purer Nationalismus - Bidens nächster Treffer gegen den amtierenden Präsidenten. Seine Worte kann man als Gegenentwurf zum bis dahin lauen Münchner Auftritt der Amerikaner sehen. Eine enge, faire Partnerschaft freier, demokratischer Länder sei "die letzte, beste Hoffnung für die Menschheit".

So viel Pathos und Emotion war von dem Abend nicht zu erwarten gewesen. Im Mittelpunkt steht nämlich zunächst Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der seinen ersten Auftritt bei einer Sicherheitskonferenz ausgerechnet in der Residenz zelebriert. "Ein beeindruckender Rahmen für eine beeindruckende Freundschaft", so der Premier. Pflichtschuldigst versichert Gastgeberin und Vize-Ministerpräsidentin Ilse Aigner Netanjahu die selbige: "Ich versichere Ihnen: Die Menschen in Bayern und in Deutschland sind an Ihrer Seite, an der Seite Israels."

Der Premier hätte freilich auch gern deutsche Konzerne an seiner Seite, mit denen Israel Sicherheitstechnologie entwickeln möchte, gegen Cyberkriege und atomare Bedrohungen. Und praktischerweise sitzt Siemens-Chef Joe Kaeser mit am Ehrentisch. Im Saal ist in etwa gleich viel Industrie, Militär und Politik vertreten. Wenn von "Werten der westlichen Welt" gesprochen wird, hat das deshalb an diesem Abend lange Zeit eine doppelte Bedeutung - bis zur Rede von Joe Biden und den Tränen von Cindy McCain.

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