Falls das Oberlandesgericht München die Anklage der Bundesanwaltschaft zulässt und es zu einem Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und mögliche Unterstützer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) kommt, steht die bayerische Justiz vor einem Problem: Wo soll ein solches Mammutverfahren stattfinden?
Hunderte Journalisten aus dem In- und Ausland werden erwartet und mehr als 50 Anwälte der Angehörigen der Opfer des NSU-Terrors. München aber verfügt über keinen ausreichend großen Verhandlungssaal. Der Schwurgerichtssaal im Strafjustizzentrum mit 160 Plätzen erwies sich zuletzt beim Prozess gegen den mutmaßlichen KZ-Aufseher John Demjanjuk als ungeeignet.
Wegen des Andrangs richtete die überforderte Justiz "Sammelstellen" vor dem Gebäude ein - zum Entsetzen der Hinterbliebenen und Opfer. In Justizkreisen wird für ein NSU-Verfahren deshalb über eine Ausweichlösung in München nachgedacht. Um den Prozess bewältigen zu können, wäre es denkbar, den Sophiensaal im Landesamt für Steuern als Provisorium zu nutzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Militärregierung ihre Urteile in diesem Raum gefällt.
Manfred Götzl weiß um die beengten Verhältnisse der Strafjustiz in München. Der Vorsitzende Richter des 6. Senats am Oberlandesgericht wird das NSU-Verfahren voraussichtlich leiten. 2010 hat Götzl den für Terrorismus und Landesverrat zuständigen Staatsschutzsenat am OLG übernommen. Zuvor war er für Mord- und Totschlagsdelikte im Strafjustizzentrum zuständig. Zunächst war er Staatsanwalt, dann leitete er als Vorsitzender der Schwurgerichtskammer am Landgericht München I mehrere aufsehenerregende Verfahren.
Vom Modekönig bis zum Kriegsverbrecher
Der Mord an dem Münchner Modekönig Rudolph Moshammer fiel ebenso in diese Zeit wie die Verurteilung des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers und Kriegsverbrechers Josef Scheungraber. Das Schwurgericht unter Götzls Leitung erwies sich als besonders sattelfest: In seinen sieben Jahren als Vorsitzender kassierte der Bundesgerichtshof nur ein einziges seiner Urteile.
Privat gibt sich der 58-jährige Franke zurückhaltend. Eine Leidenschaft für Jazz wird ihm nachgesagt, früher spielte er Gitarre in einer Combo. Beim Joggen und Wandern findet der asketisch wirkende Mann seinen Ausgleich. Er ist mit einer Juristin verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.
Raubeinig kann er allerdings auftreten, sobald er die Robe trägt: Götzl gilt nicht als jemand, der umschweifige Erklärungen endlos erträgt. Mag sein, dass seine Zeit als Staatsanwalt für Kapitalverbrechen prägend war. Natürlich wolle er Angeklagten ausreichend Zeit geben, "ihre Taten aufzuarbeiten und die Hintergründe auszuleuchten", hat er einmal seine Rolle definiert. Doch dies kennt Grenzen. Seine Züge verhärten sich, wenn er glaubt, mit der "Unwahrheit bedient" zu werden oder jemand versucht, einen Prozess zu verschleppen. Dann kann der Richter laut werden, den Blick scharf in den Saal gerichtet.
Sein hartes Urteil müssen selbst Kollegen fürchten: Der 6. OLG-Senat ist auch für Revisionen zuständig und hat gerade vor einem halben Jahr das Verdikt einer Landgerichtskollegin in der Luft zerrissen, die den Streitfall des Kabarettisten Ottfried Fischer mit einem Bild-Reporter verhandelte. Götzl ist kein weicher Richter, seine Verantwortung nimmt er ernst. Einmal spendierte er einem Angeklagten Batterien für ein Hörgerät, damit der Prozess weiterlaufen konnte. Nach jedem Verhandlungstag wurden die Batterien ausgebaut, damit sie bis zum Urteil hielten.