Zschäpe und NSU-Helfer
Beate Zschäpe, 37
Die Bundesanwaltschaft hat Beate Zschäpe als Mittäterin wegen Mordes angeklagt, aber auch vier weitere Beschuldigte werden vor Gericht gestellt. Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben sowie Holger G., Carsten S. und André E. halfen dem NSU mit Waffen und Ausweispapieren. Die Verdachtsmomente gegen die in Köln-Ossendorf einsitzende mutmaßliche Terroristin wiegen besonders schwer. Vor einem Jahr noch lautete der Haftbefehl gegen Zschäpe auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und auf besonders schwere Brandstiftung. Jetzt gilt sie als Gründungsmitglied des braunen "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU); die Bundesanwaltschaft wirft ihr Mittäterschaft bei den zehn Morden, Mittäterschaft bei den zwei Sprengstoffanschlägen der Bande und Mittäterschaft bei den fünfzehn bewaffneten Raubüberfällen vor. Der Vorwurf des Mordversuchs kommt hinzu, weil Zschäpe nach dem Tod der Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am 4. November 2011 die gemeinsame Wohnung in Zwickau angezündet hatte. Den Ermittlungen zufolge hielt sich eine damals 89-jährige Nachbarin zu diesem Zeitpunkt noch in einer Wohnung nebenan auf, zwei Handwerker hatten an diesem Tag in dem Haus gearbeitet und waren nach einem Abstecher in die Stadt gerade auf dem Rückweg, als Zschäpe mit zehn Litern Benzin die Wohnung in Brand setzte.
Angeblich sei sie, so hat es mal ein Thüringer Zielfahnder behauptet, der Kopf der Bande gewesen. Ob das so war, ist unklar. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hielt sie daheim die Fassade einer unauffälligen Familie aufrecht, wenn die beiden Männer unterwegs waren, um mögliche Anschlagsziele auszuspähen, oder wenn sie zum Morden aufbrachen. Auch soll Zschäpe die Kassenfrau der Terrorbande gewesen sein, weil sie das aus den Raubüberfällen stammende Geld verwaltet haben soll. Auch soll sie in die Logistik der Bande eingebunden gewesen sein. Sie mietete ein Wohnmobil an, mit dem die Männer zu einem der Tatorte fuhren, und soll auch Zeitungsartikel über die Mordanschläge archiviert haben. Auf zwei einschlägigen Artikeln fanden sich ihre Fingerabdrücke. Und sie verschickte nach dem Ende des NSU die Bekennervideos der Bande an 15 Adressen. Die Anklage gegen Beate Zschäpe ist die maximale Anklage. Allein auf "besonders schwere Brandstiftung" stehen bis zu 15 Jahre Haft. Ob aber die Indizien vor Gericht in den wesentlichen Punkten ausreichen werden, ist nicht klar. Sie hat nicht mitgeschossen. Bislang hat sie zu den Vorwürfen geschwiegen. Es steht nicht zu erwarten, dass sie in dem anstehenden Prozess reden wird, jedenfalls nicht in den ersten Verhandlungsmonaten.
Zschäpe und NSU-Helfer
Carsten S., 32
Wenn es in diesem Fall auch so etwas wie eine tragische Figur geben sollte, so wäre das vermutlich Carsten S. Der in New Delhi geborene Homosexuelle ist möglicherweise aus Protest gegen seine Eltern und fasziniert von den Männlichkeitsritualen der braunen Szene im rechten Sumpf gelandet. Er hat sich dann von der Szene im Alter von 20 Jahren distanziert und sich später in einer Düsseldorfer Aidshilfe engagiert. Als er noch sehr jung war und sein Name noch nicht in allen Polizeiakten stand, hatten die Unterstützer des Trios ihm den Auftrag gegeben, den Kontakt zu den dreien zu halten. Das machte er und brach sogar in eine frühere Wohnung von Beate Zschäpe ein, um Sachen zu holen. Gemeinsam mit Wohlleben soll er im Auftrag von Mundlos und Böhnhardt ein Motorrad gestohlen haben. Zum Verhängnis könnte für Carsten S. ein Auftrag werden, den ihm Wohlleben vermutlich 1999 oder Anfang 2000 erteilt haben soll. Wohlleben soll ihn mit der Beschaffung der Ceska 83 mit Schalldämpfer beauftragt haben, und er lieferte die Waffe ab. Deshalb wird auch S., der schon bei der ersten Vernehmung in Karlsruhe ausgepackt hat, Beihilfe zum Mord in neun Fällen vorgeworfen. Er befindet sich derzeit in einem Zeugenschutzprogramm. Vor Gericht soll auch geklärt werden, ob er zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Taten nach seiner Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand.
Zschäpe und NSU-Helfer
Ralf Wohlleben, 37
Der frühere NPD-Kader soll 1998 das Abtauchen des Trios in den Untergrund organisiert haben. Er gilt als Unterstützer der ersten Stunde und soll angeblich mit dem Trio über den bewaffneten Kampf im Untergrund diskutiert haben. In mindestens zwei Fällen soll er Neonazis mit dem Transport von Waffen für Böhnhardt und Mundlos beauftragt haben. Angeblich hat er einem Helfer gesagt, sei es besser, wenn der nicht wisse, "was die drei damit vorhaben". Besonders schwer wiegt in seinem Fall der Umstand, dass er bei der Beschaffung der Ceska 83 mit Schalldämpfer, mit der Mundlos und Böhnhardt zwischen 2000 und 2006 neun Migranten hingerichtet hatten, eine wesentliche Rolle gespielt haben soll. Deshalb wirft ihm die Bundesanwaltschaft in der Anklage Beihilfe zum Mord in neun Fällen vor. Wohlleben wird durch zwei seiner Mitangeklagten schwer belastet. In der braunen Szene wird Wohlleben, den sie nur "Wolle" nennen, als Held gefeiert. Seine Anwältin war während ihres Studiums kurzzeitig Mitglied der NPD in Jena und ist jetzt parteilos. Keiner der übrigen Angeklagten hat einen Verteidiger mit einer solchen politischen Herkunft.
Zschäpe und NSU-Helfer
André E., 33
Keiner der anderen Angeklagten war über die Jahre so dicht und so lange an dem Trio wie E. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern besuchte er die Zelle häufig in ihrem Versteck an der Zwickauer Frühlingsstraße und kümmerte sich auch um Urlaubsziele der Terroristen. Als Zschäpe vor einem Jahr die Wohnung anzündete, rief sie kurz darauf bei der Familie E. an. Der 33-Jährige gilt als Hardcore-Neonazi. Auf seinem Oberkörper sind die Worte "Die Jew die" (Stirb, Jude, stirb) eintätowiert und er galt als Schlüsselfigur der rechten Szene. Dennoch stand einige Zeit nicht fest, ob er angeklagt würde. Der Kernvorwurf der Ermittler war ursprünglich, dass er angeblich das Bekenner-Video hergestellt oder zumindest bei der Herstellung geholfen hatte. Dieser Vorwurf musste im Verlauf der Ermittlungen fallengelassen werden. E. , der seit November in Untersuchungshaft saß, kam am 25. Mai frei. In der Anklage wird ihm jetzt vorgeworfen, er habe angeblich die terroristische Vereinigung unterstützt. So soll er 2006 die mögliche Enttarnung des Trios verhindert haben, als die Polizei wegen eines Diebstahls ermittelte. Auch soll er Zschäpe als seine Frau ausgegeben haben, die dann bei der Zeugenvernehmung mit einer falschen Identität auftrat. Auch wird ihm Beihilfe zu einem der Sprengstoffanschläge in Köln - und damit Beihilfe zum versuchten Mord - sowie Beihilfe zum Raub vorgeworfen.
Zschäpe und NSU-Helfer
Holger G., 38
Der ehemalige Neonazi lieferte als erster den Fahndern einen tiefen Einblick in das klandestine Innenleben des Trios und sagte umfänglich aus. Er gilt als eine Art Kronzeuge. G. gestand bereits im Spätherbst vergangenen Jahres, er habe dem Trio als Kurier in den Jahren 2001 oder 2002 eine Waffe in ein Versteck gebracht. Auch habe er die Flüchtigen mit Ausweisen unterstützt. G. gehörte in den Neunzigerjahren zur Thüringer Neonazi-Szene und zog dann nach Niedersachsen um. Die drei behielten bis 2011 Kontakt zu ihm und forderten ihn stets auf, ihnen weiter behilflich zu sein. Nach seiner Darstellung gab es früh in der Thüringer Neonazi-Szene "Richtungsdiskussionen" über die Ausrüstung mit Schusswaffen. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien dabei angeblich als "Hardliner" aufgetreten. Das Trio habe den Standpunkt vertreten, dass man mehr machen müsse. Umfassend schilderte er in seinen Vernehmungen das konspirative Verhalten des Trios. Weil er die Gruppe mit Ausweispapieren versorgt hatte, habe es "jährliche Systemchecks" gegeben. Die drei hätten abgeklärt, ob gegen ihn ermittelt werde. Dadurch sollte festgestellt werden, ob seine Identität weiterhin gefahrlos nutzbar sei. Er habe auch bei gemeinsamen Kurzurlauben sein Handy nicht mitnehmen dürfen. G. wird wegen Unterstützung der terroristischen Vereinigung in drei Fällen angeklagt.