Konzertkritik:Kontrolliert

Lesezeit: 1 min

Die Münchner Philharmoniker spielen Mahlers Dritte in der Isarphilharmonie.

Von Michael Stallknecht

Die ganze Welt wollte Gustav Mahler in seiner Dritten Symphonie in Klang setzen, von der rohsten Natur bis zur allumfassenden Liebe. In der Isarphilharmonie nehmen die Münchner Philharmoniker die Bühne ein, auf der Galerie verteilen sich die Frauen des Philharmonischen Chors und der Tölzer Knabenchor. Ideal für solche Großbesetzungen ist das Übergangsprovisorium nicht: Der Klang mischt sich kaum, im Forte scheppert es schnell. Robin Ticciati setzt in seinem Dirigat denn auch auf die Pianofarben, lässt das Forte eher knapp explodieren, nimmt selbst im Schlussadagio die Bögen immer wieder zurück. Mit Mahlers Dritter gibt der Brite, fest engagiert als Musikdirektor beim DSO Berlin und der Glyndebourne Festival Opera, sein Debüt bei den Philharmonikern. Die sechs Sätze schließt er ohne große Pausen aneinander an, wählt eher behutsame Tempi, in denen er Details genau ausleuchtet. Orchestersoli gewinnen damit viel Raum: die delikate Solovioline von Konzertmeister Julian Shevlin, die butterweiche Posaune von Jonathon Ramsay, die kessen Schleifer des Oboisten Andrey Godik oder das von außen hereinklingende Posthornsolo, das Alexandre Baty auf dem Flügelhorn leuchten lässt. Die Hypertransparenz der Akustik verdeutlicht gerade im ersten Satz, wie sehr Mahler Zeitgenosse der Moderne war: Die Klangereignisse scheinen isoliert, fragmentiert. Der Philharmonische Chor singt textverständlich, die Tölzer lassen mit ihrem Bim-bam knackig hell die Glocken läuten.

Erst für den vierten Satz kommt die Mezzosopranistin Elīna Garanča hinzu, im weißen Engelskleid das dunkle Musikerheer überstrahlend: "O Mensch! Gib acht!" Man hat dieses Solo schon drangvoller gehört, tiefer, getragen von weiterem Atem. Garanča fügt sich ein in eine Aufführung, deren Signum im Guten wie Schlechten die Kontrolle bleibt. Ticciati weiß, was er tut, versteigt sich aber nirgends. Was für den Weltumfassungsanspruch eines derart verstiegenen Werks ein bisschen zu wenig ist.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: