Ruhe, Muße, die Möglichkeit, sich einfach mit Musik beschäftigen zu können: Der Putin-Versteher Valery Gergiev ist schon eine Weile weg, auch wenn die Wunde eher schief zu vernarben scheint. Der designierte Chefdirigent Lahav Shani spricht sich für weltoffenes Musizieren aus. Die Münchner Philharmoniker können sich ungestört ihrer im September beginnenden Spielzeit unter dem Motto "Träume" widmen. Und obwohl Shani sein Amt offiziell erst im Herbst 2026 antreten wird, zeigt er Präsenz: Beim Eröffnungskonzert am Mittwoch, 4. September, leitet er in Bachs d-Moll-Konzert (BWV 1052) die Philharmoniker vom Klavier aus, die ebenfalls unter seiner Leitung Bruckners Neunte spielen.
Damit ist einer der drei Themenschwerpunkte benannt - Anton Bruckner und dessen 200. Geburtstag. Die Münchner Philharmoniker als Bruckner-Orchester lassen sich die Gelegenheit zum Feiern nicht entgehen und präsentieren außer der Neunten auch Bruckners f-Moll-Messe (Leitung: Thomas Hengelbrock) und im Oktober die Achte unter Tugan Sokhiev. Sie lassen also die weniger kanonisierten Werke wie die "nullte" Symphonie aus dem Programm, was Intendant Paul Müller mit der Abwesenheit eines Chefdirigenten erklärt. Sobald Shani da ist, werde sich das ändern.
Dass Shani experimentierfreudig ist, zeigt sein zweites Programm, das Unsuk Chin mit Henri Dutilleux' Violinkonzert "Der Baum der Träume" (Solist: Renaud Capuçon) verbindet und mit der ersten Symphonie des 1933 emigrierten Paul Ben-Haim den Bogen zum vielleicht wichtigsten Thema der Spielzeit schlägt: 80 Jahre Befreiung vom NS-Terror. Krzysztof Urbański wird im Frühjahr 2025 Henryk Góreckis dritte Symphonie dirigieren, zudem sind Kooperationen mit Shanis anderem Orchester, dem Israel Philharmonic Orchestra, geplant - ein Kammerkonzert und eine Aufführung von Mahlers Sechster. Selbstredend dürfen die Philharmoniker auch ihr Mahler-Faible ausleben, auch mit dessen Fünfter unter Zubin Mehta.
Ein dritter Schwerpunkt im Jahr der US-Wahl heißt "American Dreams". Gäste wie John Adams, der Eigenes dirigiert, Werke von Charles Ives (unter Barbara Hannigan) oder Sarah Gibson sind auf dem Programm. Stolz präsentiert Paul Müller auch die Solistinnen und Dirigentinnen, die wieder in München gastieren: Hilary Hahn etwa, Vilde Frang, Mirga Gražinytė-Tyla oder Giedrė Šlekytė. Man gönnt es ihm, denn nach 16 Jahren wird er sein Amt abgeben. Eine letzte Programmvorstellung also, die Kompetenz in westfälischer Nüchternheit darbot.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung hatten wir das Philharmoniker-Eröffnungskonzert fälschlicherweise auf "Mittwoch, 9. September", datiert. Es findet am Mittwoch, 4. September, statt. Wir haben das im Text korrigiert.