Anzapfen auf dem Oktoberfest:Die Grenzen der Wurschtigkeit

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Dieter Reiter beim Anzapfen im Jahr 2014. (Foto: Peter Kneffel/AP)

"Scheiß drauf, wurscht", hat Dieter Reiter beim Anzapfen vor einem Jahr gut vernehmbar ins Mikrofon geflucht. Dabei ist dem Münchner Oberbürgermeister gar nicht egal, ob er zwei, drei oder 17 Schläge braucht.

Kolumne von Dominik Hutter

Der Einstieg war vielversprechend: "Scheiß drauf, wurscht", hatte Dieter Reiter vor einem Jahr gut vernehmbar ins Mikrofon geflucht. Und damit zahlreichen Intellektuellen das beruhigende Gefühl vermittelt, dass das Anzapfen auf der Wiesn wohl doch nicht die wichtigste Amtshandlung eines Münchner Oberbürgermeisters ist, ja, dass eine gewisse Lässigkeit beim Ausführen dieses Rituals noch nicht einmal den jähen gesellschaftlichen Abstieg zur Folge haben muss.

Schade nur, dass der OB keine Lust auf Reiter-T-Shirts mit eben diesem Spruch hatte, wie sie ihm anschließend von findigen Scherztextilherstellern vorgeschlagen worden waren. Hätte aber womöglich auch Familienknatsch gegeben. Reiters Mutter soll entsetzt über die Wortwahl ihres Sohnemanns gewesen sein.

Leider hat aber auch Wurschtigkeit ihre Grenzen. Vermutlich hat der lässigere Teil der Menschheit gehofft, Reiter würde in diesem Jahr einfach ganz unbefangen auf die Wiesn gehen und - scheiß drauf - mal kurz den Wechsel in den Hirschen donnern, damit endlich alle saufen können. Egal, ob mit zwei, drei oder 17 Schlägen. Und egal, ob der Seehofer nachher pitschnass ist und vor dem ersten Wiesn-Hendl noch gefönt werden muss.

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So ist es aber nicht. Reiter, der vor allem an den vergangenen Wochenenden nicht gerade unter Unterbeschäftigung litt, hat entgegen seiner eigenen Prognose doch noch Zeit gefunden, zu Helmut Huber zu gehen. So heißt der Brauer und Anzapf-Profi, der schon Christian Ude bierzelttauglich gemacht hat.

Nun übt er mit Reiter: Fass her, draufhauen, Fass her, draufhauen, immer wieder, bis es sitzt. So ganz unwichtig ist das archaische Spektakel also doch nicht. Vermutlich wird am Samstag alles seine langweilige Ordnung haben.

Es sei denn, Horst Seehofer kehrt den Anarchisten heraus, schnappt sich schnell den Schlegel und eröffnet die Wiesn einfach selbst. Verständlich wäre das ja. Hat nicht der Reiter im vergangenen Herbst einfach die Bayernkaserne geschlossen, obwohl das gar nicht in seine Kompetenz fiel? Eben. Vermutlich fände Reiter für diese Eigenmächtigkeit die passenden Worte. Zum Schrecken seiner Mutter.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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