Kommissions-Vorschläge:Mehr als bloß bauen, bauen, bauen

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Eine der aktuellen Großbaustellen in München: An der einstigen Kuvertfabrik in Pasing wird Beton gegossen, damit ein Wohnquartier entsteht. (Foto: Florian Peljak)

Im Auftrag der Bundesregierung hat eine Kommission Vorschläge entwickelt, was sich gegen die explodierenden Immobilien- und Mietpreise unternehmen lässt. Vieles davon, ist in München bereits Alltag.

Von Anna Hoben und Dominik Hutter

Es wäre verkehrt, sich abschrecken zu lassen vom Namen des Gremiums, das sich im vergangenen Jahr in Berlin mit einem Thema beschäftigt hat, das untrennbar mit der Explosion von Immobilien- und Mietpreisen zu tun hat. Hier also, nur einmal in voller Länge, der Name: Kommission für nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik. Sechs Mal tagte die Gruppe, von September 2018 bis Juli 2019. Neben Vertretern von Regierungsfraktionen, Bundesressorts, Ländern und Kommunen gehörten ihr Experten aus der Wissenschaft, der wohnungswirtschaftlichen Verbände und des Deutschen Mieterbundes an. Im Juli hat das Gremium seinen Abschlussbericht vorgelegt. Zeit, einen genaueren Blick hineinzuwerfen.

Was steckt für München drin?

Bei vielen Punkten geht es vor allem darum, wie schneller mehr Wohnraum geschaffen werden kann. So sollen zum Beispiel Aufstockungen und Dachgeschossausbauten erleichtert werden. Interessant ist der Punkt "sektorale Bebauungspläne" zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im bislang nicht überplanten Innenbereich. Auf diese Weise könnte die Stadt Investoren auch dort, wo Wohnraum durch Nachverdichtung entsteht, Vorschriften etwa zum Bau von geförderten Wohnungen machen - so wie es gemäß der sozialgerechten Bodennutzung in Gebieten mit Bebauungsplan schon seit 25 Jahren gehandhabt wird; dort gibt es eine verpflichtende Sozialwohnungsquote von mindestens 30 Prozent.

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Zudem könnte es nach den Empfehlungen schwieriger werden, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln; einen solchen Genehmigungsvorbehalt gibt es bisher nur in Erhaltungssatzungsgebieten. Die Beendigung von Leerstand etwa in "Schrottimmobilien" und die "Aktivierung", also Bebauung von innerstädtischen Grundstücken soll erleichtert werden. Lärmschutzmessungen sollen großzügiger werden - nach dem Motto: Wer urbanes Leben will, muss auch die Nebenwirkungen aushalten. Die Verbilligungsrichtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben soll weiterentwickelt werden, der Abschlag auf Kaufpreise soll in Städten wie München höher sein. Die Regeln könnten auch für das Bundeseisenbahnvermögen gelten. Die Eisenbahnergenossenschaften stehen (nicht nur) in München vor dem Problem, dass in einigen Jahren ihre Erbpachtverträge auslaufen.

Wie bindend sind die Ergebnisse?

Bei den Inhalten im Abschlussbericht handelt es sich um Empfehlungen an die Bundespolitik. Es gibt also noch keine Beschlüsse, es gibt kein Gesetz. Eine Novelle des Baugesetzbuches ist allerdings für den Herbst angekündigt. Wie viele Punkte dann tatsächlich umgesetzt werden, ist offen. "Das ist Stoff für mehr als eine Legislaturperiode", prophezeit die Münchner SPD-Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend, die Mitglied der Kommission war. Die SPD hätte lieber eine Enquête-Kommission mit Abgeordneten aller Fraktionen gehabt. Stattdessen wurde es, wie im Koalitionsvertrag verankert, eine Regierungskommission, die nicht-öffentlich arbeitet.

Wie werden die Ergebnisse in München bewertet?

Die Initiative "Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik" entstand Anfang 2017, veranlasst durch die explodierenden Bodenpreise und die daraus resultierenden sozialen Verwerfungen. 2018 veröffentlichte sie den Münchner Ratschlag zur Bodenpolitik. "Der Boden ist kein Gut wie jedes andere. Boden ist zugleich unvermehrbar", heißt es darin unter anderem. Es verbiete sich daher, ihn dem freien Marktgeschehen zu überlassen. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht schon festgestellt, und zwar im Jahr 1967. Auch mehr als 50 Jahre später hat sich die Kommission so weit freilich nicht vorgewagt. Trotzdem enthält der Bericht nach Ansicht der Münchner Initiative "einige gute und hilfreiche Empfehlungen", die nun rasch umgesetzt werden sollten. Bei wesentlichen Grundsatzfragen und Handlungsfeldern gebe es jedoch "erhebliche blinde Flecken". Dies liege daran, dass die Frage nach einer beschleunigten Mobilisierung von Bauland deutlich im Vordergrund gestanden habe - wegen der Auffassung maßgeblicher Teile der Koalition und von Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft, dass die Lösung gegen explodierende Preise vor allem "bauen, bauen, bauen" heiße.

Es sei insofern wohl schon ein Erfolg, dass das Ziel einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik in der Präambel überhaupt auftauche - dies hatte die SPD durchgesetzt. Zu den wesentlichen weitergehenden Forderungen der Münchner Initiative gehören unter anderem eine Verwendung leistungsloser Bodenwertsteigerungen für Gemeinwohlzwecke; eine Reform der Bodenwertermittlung und eine wirksame Limitierung von Kaufpreisen auf einen sozial verträglichen Ertragswert bei Vorkaufsrechten für bebaute und unbebaute Grundstücke; mehr Transparenz des Boden- und Immobilienmarktes (Bekämpfung von Geldwäsche, öffentliches Grundbuch, steuerliche Erfassung von Share Deals, etc.).

Was wird bereits unternommen?

Vieles, was in der Kommission diskutiert wurde, ist in München bereits Alltag. So werden - wo dies juristisch möglich ist - Bauherren schon seit längerem Vorgaben gemacht, bei ihren Neubauten einen festen Anteil für geförderte oder zumindest bezahlbare Wohnungen zu reservieren. Dies funktioniert über Bebauungspläne oder aber beim sogenannten Konzeptionellen Mietwohnungsbau, für den die Stadt Grundstücke verbilligt abgibt, im Gegenzug aber soziale Zugeständnisse erwartet. Zudem gilt schon seit langem das Prinzip, keine Grundstücke mehr zur Aufbesserung der kommunalen Finanzsituation zu verkaufen. Vielmehr bemüht sich die Stadt, ihren Bestand noch zu vergrößern. Das sichert den Einfluss des Rathauses auf die spätere Bebauung. Bestes Beispiel dafür ist Freiham, wo schon unter Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel damit begonnen wurde, in großem Maßstab das nötige Bauland aufzukaufen.

Wie realistisch ist eine Umsetzung des Pakets?

Die beteiligten Politik-Vertreter zeigen sich durchaus zufrieden mit dem Ergebnis, obwohl es sich um einen klassischen Kompromiss handelt. Das spricht eher für eine Umsetzung. Claudia Tausend findet es "beachtenswert", was trotz einer "grundsätzlich anderen Herangehensweise" von SPD und Union doch zu Papier gebracht werden konnte. Auch Emmi Zeulner, die für die CSU in der Kommission saß, spricht von "grundsätzlich unterschiedlichen Ansichten, wie man das Thema lösen kann". Knackpunkt sind die Unterschiede zwischen Großstädten und dem ländlichen raum, die eigentlich jeweils eigene Problemlösungen benötigen. Zeulner sieht "zwei unterschiedliche Welten".

Beide Politikerinnen berichten übereinstimmend, dass sich die SPD eher für die Großstädte mit ihrer Wohnungsnot und den exorbitant gestiegenen Preisen befasst habe (auch wenn das damit verwandte Thema Mieterschutz offiziell nicht vorkam), während der Union vor allem der Wohnungsbau auf dem Land am Herzen lag. Vor allem, wie Zeulner betont, der Eigentumsschutz. Die CSU-Politikerin plädiert für eine Anreizpolitik, etwa über Steuernachlässe für bauwillige Grundstücksbesitzer. Wichtig sei auch Verlässlichkeit - was bedeute, dass die Bedingungen für Eigentümer nicht rückwirkend verändert werden sollen. Die Wohnungsnot lasse sich vor allem durch Neubauten bekämpfen, und da könne der ländliche Raum Entlastung für aus alle Nähte platzende Großstädte wie München bieten. Bei Tausend steht eher das Prinzip "Eigentum verpflichtet" im Vordergrund. Der SPD gehe es um Gemeinwohl, nicht um Gewinnmaximierung.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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