Neubauviertel:Deutschlands größte Holzbausiedlung ist fast fertig

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Dafür, was als Holzbau zählt, gab es in der ökologischen Mustersiedlung klare Kriterien. (Foto: Florian Peljak)

Nun ziehen die ersten Bewohner in die bezahlbaren Häuser mit guter Ökobilanz im Prinz-Eugen-Park ein. Auch Experten von außerhalb zeigen Interesse.

Von Anna Hoben

Zehn Jahre ist es her, dass der Stadtrat auf Initiative der Grünen beschlossen hat, im neuen Stadtteil auf dem Gelände der Prinz-Eugen-Kaserne in Bogenhausen eine ökologische Mustersiedlung mit 570 Wohnungen in Holzbauweise zu errichten. Jetzt, im Sommer 2019, ist das ehrgeizige Vorhaben, Deutschlands größte zusammenhängende Holzbausiedlung zu errichten, fast am Ziel. Für die künftigen Bewohner geht das Abenteuer indes gerade erst los: In den kommenden Wochen ziehen die ersten dort ein. Im kommenden Jahr soll dann das ganze Quartier Prinz-Eugen-Park mit seinen insgesamt 1800 Wohnungen fertig sein.

An der Holzsiedlung beteiligt sind neben den städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag auch Genossenschaften und Baugemeinschaften. Doch wie definiert sich das überhaupt? Oder salopp gefragt: Wie viel Holz muss eine Hütte haben, um als Holzbau durchzugehen? Dafür gab es bei der Ausschreibung klare Vorgaben, angegeben in der Einheit "kg nawaros / m² Wohnfläche". Was rätselhaft klingt, steht ganz einfach für "nachwachsende Rohstoffe". Bei niedrigen Häusern mit bis zu drei Geschossen wurde festgelegt, dass mindestens 150 Kilogramm Holz pro Quadratmeter Wohnfläche verbaut werden sollten - tatsächlich sind es nun in den GWG-Häusern bis zu 280. Beim Geschosswohnungsbau - bis zu sieben Stockwerke haben die Gebäude - sollten es mindestens 50 Kilogramm sein - tatsächlich sind es bis zu 240. Ein Haus, das nur eine Verschalung aus Holz besitzt, ist demnach noch kein Holzbau.

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Höchstens 400 Kilometer Weg durfte das Material zudem bis nach München zurückgelegt haben, sonst wäre es mit der guten Ökobilanz ja auch wieder nicht weit her gewesen. Das Holz, das die GWG verbaut hat, stammt aus Oberbayern und Österreich: Fichte und Kiefer. Modellvorhaben mit Holzbauweise habe es immer gegeben, aber nicht so konzentriert als Siedlung, sagt GWG-Geschäftsführerin Gerda Peter. Die tragenden Elemente hat ihr Unternehmen in Hybridbauweise gebaut, das heißt, dass etwa die Wände aus Holz sind, die Decken aber zum Teil aus Beton. Ökologisch gesehen bewege man sich "nah am Passivhausstandard". Vom kleinen Apartment bis zur Vierzimmerwohnung ist alles dabei, die Kaltmieten bewegen sich je nach Fördermodell zwischen 9,60 und 13 Euro pro Quadratmeter.

Doch halten die Holzhäuser nicht weniger lang als konventionelle Bauten? Holz sei sehr langlebig, sagt Gerda Peter, man denke nur an die jahrhundertealten Stabkirchen in Norwegen. Okay, so lange werden die Holzhäuser im Prinz-Eugen-Park vielleicht nicht überdauern. Für 100 Jahre sei eine Wohnimmobilie aber schon angelegt, so Peter - das solle in der Öko-Mustersiedlung nicht anders sein. Für künftige Projekte verspricht sich die GWG von der Mustersiedlung aufschlussreiche Erkenntnisse. Auch bei der Baugemeinschaft Team Hoch Drei beziehen die ersten Mitglieder nun ihre Eigentumswohnungen. 36 insgesamt, in sieben Gebäuden. Die Planung lag bei der Architekturwerkstatt Vallentin, die seit vielen Jahren Erfahrung im Passivhaus- und Holzbau hat.

Man müsse "zurück zu den guten Materialien", sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Was in den vergangenen Jahrzehnten in Sachen Wärmedämmung gemacht worden sei, "das wird die große Sondermüllgeschichte der nächsten 20 Jahre sein", prophezeit sie. Neben einer guten Ökobilanz biete die Holzsiedlung außerdem eine neue, andere Ästhetik. Im Planungsreferat sieht man das Projekt also als Leuchtturm, dem aber möglichst bald weitere Leuchttürme zur Seite gestellt werden sollen. "Das soll irgendwann Standard sein", so Merk. Sie wolle deshalb ein weiteres Förderprogramm auflegen.

Die Holzsiedlung im Prinz-Eugen-Park hat die Stadt mit 13,6 Millionen Euro gefördert. Auch im neuen Stadtteil Freiham solle ein großer Anteil Wohnungen in Holzbauweise entstehen. Für das künftige Wohngebiet auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne liefen noch Untersuchungen. Viel Neugier weckt die Mustersiedlung jetzt schon. Anfragen, so berichtet Stadtdirektorin Ulrike Klar, kämen sogar aus Finnland - einem Land, dessen Fläche zu 65 Prozent mit Wald bedeckt ist.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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