Soziales Wohnen:Dieser Verein ist der perfekte Mieter

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Makler mit Sinn für Soziales: Mischa Kunz vermittelt in seiner Freizeit Wohnungen nicht für viel Geld, sondern um Bedürftigen bei der Wohnungssuche zu helfen. (Foto: Catherina Hess)

Alleinerziehende, Flüchtlinge und Hartz-IV-Empfänger haben es besonders schwer, eine Wohnung zu finden. Gegen dieses Problem tritt der Verein "Münchner Freiwillige" an - rund hundert Mal hat das schon Not gelindert.

Von Anna Hoben

Es ist leichter, einen Eigentümer zu überreden, uns seine Wohnung zu vermieten, als ihn als Makler zu überzeugen, mir einen Auftrag zu geben." Diesen Satz sagt Mischa Kunz, mit "uns" meint er den Verein "Münchner Freiwillige", den er mit gegründet hat. In seiner Person kommen zwei Dinge zusammen, die für manchen intuitiv gar nicht zusammenpassen: Mischa Kunz ist Makler. Außerdem vermittelt er mit seinem sozialen Verein Wohnungen an Menschen, die sonst kaum eine Chance auf dem brutalsten Wohnungsmarkt der Republik haben.

Alles fing an im Herbst 2015, als Tausende Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof ankamen. Mischa Kunz wollte helfen, er wollte etwas tun. Er war schon früher ehrenamtlich engagiert gewesen, bei der Freiwilligen Feuerwehr etwa. Er ging also zum Bahnhof und packte mit an. Was eben so anfiel. Schon bald liefen die Organisationsfäden bei ihm zusammen. Organisieren, das könne er gut, sagt Mischa Kunz. Und außerdem: "Wenn ich was mache, will ich auch etwas bewegen." Nicht nur ein paar Tage lang Kleider sortieren, sondern etwas Größeres daraus machen. Gestalten. Damals gründete er zusammen mit weiteren Helfern den Verein "Münchner Freiwillige" - um aus dem Akut-Engagement eine dauerhafte Sache zu machen.

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Der Verein ist heute ein Netzwerk von Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen: Juristen, Freiberufler, Immobilienfachleute, Studenten, Rentner. Und Mischa Kunz ist mittlerweile für ein Thema zuständig, zu dem die allermeisten Münchner aus eigener Erfahrung eine oder fünfzig Geschichten zu erzählen haben: Wohnungssuche. Mit den Flüchtlingen fing es an. Ehrenamtliche halfen den Neuankömmlingen damals in verschiedensten Bereichen des Alltags, beim Deutschlernen, bei Behördengängen, bei der Jobsuche - nur ums Wohnen kümmerte sich zunächst niemand.

Mittlerweile setzt sich der Verein ganz generell für sozial schwächer gestellten Menschen ein, Alleinerziehende etwa oder Hartz-IV-Empfänger. Denn die Wohnungssuche, die bekanntlich schon für Normalverdiener eine mittelschwere Mammutaufgabe ist, gerät für diese Menschen zu einem beinahe unlösbaren Problem - obwohl in vielen Fällen das Jobcenter für die Miete aufkommt und regelmäßige Mietzahlungen gesichert sind.

Ursprünglich hat Mischa Kunz eine Banklehre gemacht. Doch da fehlte ihm bald die Abwechslung. In der achten Klasse hatte er schon einmal ein Praktikum bei einem Makler gemacht: in der Stadt rumkommen, das gefiel ihm besser, als immer in der Bankfiliale zu sitzen. Als Makler weiß Mischa Kunz natürlich, wie schwierig das ist mit der Wohnungssuche in München. Beruflich hat er freilich mit einer etwas anderen Klientel zu tun; beim Franchiseunternehmen Remax vermittelt er hauptsächlich zwischen Verkäufern und Käufern. Mietwohnungen seien für Makler nicht so rentabel, sagt er, das mache man eher "als Service".

Rentabel ist sein Job bei den Münchnern Freiwilligen auch nicht. Er macht ihn trotzdem. Wie er einen potenziellen Vermieter überzeuge? Ganz einfach, sagt er: Der Verein ist ein solventer Zahler, der Vermieter tut etwas Gutes, und einen Nachteil hat er auch nicht. Außerdem muss er sich um keinen Mieterwechsel kümmern. Zieht einer aus, steht schon der nächste Interessent bereit. Klingt ziemlich überzeugend.

30 Wohnungen hat der Verein bisher angemietet

Anfangs hatten sie überlegt, ob die Stadt Bürgschaften übernehmen könnte für die Mieter. Mischa Kunz hat mehrmals im Ausland gelebt, er kannte solche Projekte aus verschiedenen Städten. Doch da lauerten diverse juristische Fallstricke, "es war bald klar, dass wir wahrscheinlich keine Chance haben, die Stadt davon zu überzeugen". Sie überlegten dann, ob der Verein diese Bürgschaften übernehmen könnte, doch auch das war keine Option, weil sie so keinerlei Einfluss auf das Mietverhältnis hätten. Blieb noch die Möglichkeit, die Wohnungen selbst anzumieten - und dann unterzuvermieten. Also fing Kunz an, Wohnungen zu akquirieren.

Im November 2016 unterschrieb er den ersten Mietvertrag, für eine Wohnung nahe des Scheidplatzes. Der Vermieter hatte nichts gegen Leute mit geringem Einkommen, und er wollte etwas Soziales tun. Es passte. Die drei Zimmer vermietete er an drei Personen weiter, die dann eine Wohngemeinschaft bildeten. Von diesen ursprünglichen Untermietern ist heute nur noch einer in der Wohnung, die anderen beiden haben jeweils mit ihrem Partner eine Wohnung gefunden. So laufe es im besten Fall, sagt Mischa Kunz, das sei das Ziel: dass jemand irgendwann in ein reguläres Wohnverhältnis eintreten könne.

Der Verein überweist nicht nur pünktlich jeden Monat die Miete, er bezahlt auch die üblichen drei Monatsmieten Kaution und steht für höhere Schäden gerade, falls diese die Kaution übersteigen - der perfekte Mieter quasi. Bei der Miete würden "normale Marktpreise" bezahlt, sagt Kunz. Einmal wollte ein Vermieter 2000 Euro Kaltmiete für eine 90-Quadratmeter-Wohnung in Milbertshofen. "Er sagte, dafür könnten acht Personen drin wohnen. So etwas machen wir aber nicht mit."

Auf diese Weise konnte der Verein bisher fast 30 Wohnungen anmieten - und an insgesamt etwa 100 Menschen untervermieten. An Familien, Einzelpersonen, eine Mutter, die mit ihrer Tochter zuvor im Frauenhaus gewohnt hatte. Es klappt also im Durchschnitt ungefähr einmal im Monat, dass sie eine neue Immobilie anmieten. Zusätzlich haben sie etwa weitere 50 Wohnungen direkt vermittelt, also ohne dass der Verein als Mieter fungiert. Wenn er sich etwas wünschen könnte, sagt Kunz, dann würde er an die Zahlen gern eine oder zwei Nullen dranhängen. 300 Wohnungen, das wär' was, oder am besten gleich 3000. Eine Vision sei das, kein Ziel, schiebt er gleich hinterher - ganz so, als müsse man sich dafür entschuldigen, groß zu denken oder zu träumen.

Aktive soziale Vermieter finden den Verein über dessen Webseite. Der Verein wiederum sucht auch auf den einschlägigen Immobilienportalen. Auf Ressentiments ist der Makler bei seiner Suche nie gestoßen. "Wenn einer uns nicht will, schreibt er sowieso nicht zurück." Seiner Erfahrung nach seien viele Vermieter sozial eingestellt. Was sollte man auch gegen die Klientel des Vereins haben? Mischa Kunz sagt: "Das einzige Argument wäre, man mag keine armen Leute."

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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