Vorfall bei Oktoberfest:"Wenn man unter den Rock geht, kann man das nicht wegen Geringfügigkeit einstellen"

Lesezeit: 2 min

War es sexuelle Belästigung, was Holger K. auf der Wiesn 2022 im Paulaner-Festzelt tat? Oder wollte er sich nur Platz auf der Bierbank verschaffen? Das muss nun ein Gericht klären. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Holger K. soll einer Frau auf der Wiesn in den Hintern gezwickt haben, um sich auf der Bierbank Platz zu verschaffen - behauptet er vor Gericht. Die Frau aber berichtet etwas ganz anderes.

Von Susi Wimmer

"Mei, die Wiesn ist die Wiesn", wirft Rechtsanwalt Walter Lechner in den Gerichtssaal. Da sei nicht jedes Gesäß zwangsläufig ein Sexualobjekt im Sinne des entsprechenden Gesetzesparagrafen. Holger K. habe sich im Paulaner-Festzelt auf dem Oktoberfest 2022 lediglich Platz auf der Bierbank verschaffen wollen und deshalb die Dame hinter ihm in den Allerwertesten gezwickt. Dafür flatterte dem Polier ein Strafbefehl über 6000 Euro wegen sexueller Belästigung ins Haus.

Holger K. ist sichtlich nervös, als er vor dem Amtsgericht seine Version der Geschichte erzählt. Er hatte Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, jetzt sitzt er vor Richter Sebastian Schmitt. Etwa eineinhalb Mass habe er am frühen Abend des 28. September intus gehabt - und sich "ein bissl lustig" gefühlt. Mit seinen drei Spezln saß er in der Paulaner Festzeltbox, wo es etwas eng herging. Vor allem auch, weil die Dame hinter ihm, die Rücken an Rücken mit ihm saß, quasi mit ihrem Allerwertesten fast auf seiner Bank gelandet sei.

"Schau mal, wo die sitzt", soll der Freund gerufen haben. "Ich hab meine Hand unten hingehalten, und der Freund hat sie gegen ihren Po gedrückt", behauptet der Angeklagte. Daraufhin sei die Frau aufgesprungen, habe irgendwas gerufen, "aber ich kann kein Englisch". Dann sei ein Mann über den Tisch gesprungen und habe ihn schlagen wollen, was sein Freund aber abgewehrt hätte. Schließlich sei der Sicherheitsdienst gekommen, dazu die Polizei, und es folgten drei Stunden auf der Wiesnwache.

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Die Geschädigte kam nicht zur Verhandlung, sie wohnt in Florida. Richter Schmitt hält dem Angeklagten vor, was sie kurz nach der Tat bei der Polizei ausgesagt hatte: Nämlich dass ihr der Mann unter den Rock gefasst und an den Po gegrapscht habe. Kein Kneifen oder Zwicken. "Ne, das hab ich nicht gemacht", sagt der Polier entrüstet.

Die Staatsanwältin will wissen, warum er denn, wenn es lediglich um ein Platzproblem gegangen sei, die Dame nicht angesprochen habe? Oder an die Schulter getippt? Warum ausgerechnet das Gesäß? Da bleibt Holger K. stumm.

"Wir spielen das nicht herunter", meint sein Verteidiger. Eine sexuelle Belästigung sei das Letzte, was seinem Mandanten einfallen würde. Es sei ein Kneifen gewesen, "also wenn überhaupt, dann eine Körperverletzung am unteren Rand". Sein Mandant habe sich sofort entschuldigt und auch zwei Briefe in die USA geschrieben, in denen er ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro angeboten habe. Doch die Dame habe nicht reagiert.

Lechner regt an, die Sache gegen Geldauflage einzustellen. Sein Mandant könne ja die 1000 Euro an einen gemeinnützigen Verein spenden. Aber da zieht die Staatsanwältin nicht mit. "Das war kein kurzes Streifen. Wenn man unter den Rock geht, kann man das nicht wegen Geringfügigkeit einstellen." Und auch Richter Schmitt denkt, dass man ohne die Aussage der Frau nicht zu einem Ergebnis kommen werde: "Dann müssen wir versuchen, die Zeugin zu laden."

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