Kritik:Es geht um Leben und Boot

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Theater und Schiffe haben einiges gemeinsam. Das ist zumindest die Idee von "Arche Nova". (Foto: Gabriela Neeb)

Für die Uraufführung von "Arche Nova" am Volkstheater hat Noam Brusilovsky viel Stoff gesammelt - und feiert damit die Faszination des Theaters.

Von Yvonne Poppek, München

Es ist schon schön zu sehen, was das Theater alles kann. Oder vielmehr die Bühne 2 im Volkstheater. Im schnellen Wechsel zum klaren, alles umarmenden Sound von Tobias Purfürst tanzen die Gerüste und Strahler vom Schnürboden auf die Bühne und wieder zurück, einzelne Bühnenelemente fahren in die Höhe. Später leuchtet ein entzückender Sternenhimmel an der Decke des ganzen Raumes. Eine wunderschön schaukelnde Halfpipe gibt es da, ein Auto, ein Baumstamm werden mühelos hineingeschoben. Das Publikum ist da mittendrin, darf sich im Raum frei bewegen. Es ist quasi eine gemeinsame Expedition, die man mit sechs Schauspielern unternimmt. "Arche Nova" heißt sie, erdacht und inszeniert von Noam Brusilovsky.

Die Idee ist, dass das Theater einem Schiff sehr ähnlich ist. Beides sind Orte, die quasi ausgelagert wurden. Eigene kleine Realitäten, Räume für Fantasie, für Aberglaube, für Gegenentwürfe. Und so soll sich das Publikum für 75 Minuten nun auf der Volkstheater-Arche-Nova treiben lassen, etwas nachdenken über das Theater, die Bühnenkunst und auch über biblische Katastrophen wie die Sintflut.

Die einzelnen Episoden sind lose verbunden

Dazu hat Brusilovsky sechs Kapitel für sein "Mysterienspiel" entwickelt. Es sind einzelne Episoden, die sehr lose miteinander verbunden sind. Da geht es zum Beispiel darum, dass die früheren Bühnentechniker ursprünglich Schiffsbauer waren. Dass Bertolt Brecht Picassos Friedenstaube auf den Vorhang des Berliner Ensembles malen ließ. Die Mysterienspiele werden erklärt, die Entstehung der Passionsspiele Oberammergau. Man erfährt, dass Theater spielen immer auch heißt, andere Realitäten zu erproben. Manchmal lappen die gesammelten Informationen in die Gegenwart, etwa, wenn es um die Luftangriffe auf das Theater in Mariupol geht.

In Teilen gleicht der Abend einer theaterwissenschaftlichen Stoffsammlung, die aber mit frischer Hingabe zusammengestellt wurde. Theater für Entdecker, sozusagen. Was fehlt, ist zum Glück der Seminarcharakter. Dafür sorgen die Schauspieler, die eben genau das tun, was das Theater ihnen abverlangt: Sie spielen. Zuerst sind sie trockene Einweiser ins Unternehmen "Arche Nova", dann schlüpfen sie in Mikro-Rollen, sind mal Matrosen auf hoher See, Tiere der Arche, Liebespaare. Dor Aloni singt, Vincent Sauer fährt Roller, Ruth Bosung knutscht mit Pola Jane O'Mara, Henriette Nagel vergoldet einen Baumstamm, Steffen Link leuchtet im Dunkeln und Lukas Darnstädt schaukelt besonders waghalsig. Es passiert ständig irgendwo irgendwas. Das ist nicht immer spannend oder witzig oder schlüssig. Aber der Abend lebt vom Charme der Hingabe und auch vom Stolz auf diese faszinierende Schiffsreise namens Theater. Dass dies zurecht geschieht, davon erzählt "Arche Nova".

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