Debatte um Theaterstück "Vögel":"Der Meinungsfreiheit in unserer Stadt einen Bärendienst erwiesen"

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Szene mit Symbolkraft? Die arabischstämmige Wahida (Magdalena Laubisch) wird im Stück "Vögel" von einer israelischen Soldatin (dargestellt von Anna Graenzer) bedrängt. (Foto: Jean-Marc Turmes/Metropoltheater)

Der Streit um das abgesetzte Stück am Metropoltheater geht weiter. Nun richtet der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag Vorwürfe an Bürgermeisterin Habenschaden.

Von Anna Hoben

Die Kritik am Umgang mit dem Theaterstück "Vögel" am Metropoltheater wächst. In einem offenen Brief kritisiert der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag (Grüne) die Rolle der Münchner Grünen in der Debatte scharf und greift insbesondere die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und den Fraktionsvorsitzenden Dominik Krause an. "Ihr habt, anscheinend ohne besseren Argumenten zugänglich zu sein, der Meinungsfreiheit in unserer Stadt einen Bärendienst erwiesen und Euch vor den Karren derjenigen spannen lassen, die mit dem Totschlagargument eines angeblichen Antisemitismus eine Zensur der Kunst betreiben und gleichzeitig jede Kritik an der Regierungspolitik Israels in die Ecke einer Judenfeindschaft rücken wollen", schreibt Montag.

Jüdische Studierende hatten dem Stück und der Münchner Inszenierung Antisemitismus und Holocaust-Relativierung vorgeworfen und die Stadt in einem offenen Brief aufgefordert, "die Finanzierung des Stücks zu streichen". Das Metropoltheater hatte Mitte November alle noch geplanten Vorstellungen abgesetzt. Ob das Stück wieder aufgenommen wird, ist unklar. Habenschaden hatte sich in einer ersten Reaktion hinter die Absetzung gestellt: "Wenn es Verletzungen gibt, darf es nicht mehr aufgeführt werden." Die Grünen-Fraktion hatte die Akteure zu einer Aussprache eingeladen.

Das Stück gesehen habe er nicht

Das Stück "Vögel" sei weder antisemitisch noch verweigere es dem Staat Israel eine Daseinsberechtigung, schreibt Montag in seinem offenen Brief. Es reflektiere die "Schwierigkeiten und Brüche in Israel und in Palästina, die sich aus dem schrecklichen Schicksal des Judentums in der Schoah und der bedrückenden Situation von Palästinensern, hervorgerufen durch die jahrzehntelange völkerrechtswidrige Besetzung ihres Landes, ergeben". Das Stück gesehen habe er nicht, räumte Montag auf Nachfrage ein, es sei ja nun nicht mehr möglich. Er habe aber genug darüber gelesen, um sich eine Einschätzung erlauben zu können.

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In seinem offenen Brief thematisiert Montag nicht nur die Debatte um "Vögel", sondern auch sehr ausführlich den aus seiner Sicht "unseligen" Grundsatzbeschluss des Stadtrats von 2017, der gegen die Politik Israels gerichteten und in Teilen antisemitischen Boykottbewegung BDS keine Räume zur Verfügung zu stellen. Dieser habe Schaden für die Demokratie in München angerichtet. Der Beschluss ist mittlerweile von mehreren Gerichten kassiert worden.

Montag ist seit fast 40 Jahren Mitglied der Grünen, von 2002 bis 2013 saß er als Münchner Abgeordneter im Bundestag. Seine Familie auf väterlicher Seite ist jüdisch, viele Mitglieder seiner Familie wurden von den Nazis in Auschwitz-Birkenau ermordet. Als aktiver grüner Politiker habe er sich immer für den Schutz Israels eingesetzt, schreibt er. Als Rechtspolitiker, als Rechtsanwalt und Strafverteidiger habe er für die Grundrechte der Verfassung eingestanden. Er glaube, dass er in Fragen des Antisemitismus einen "fachmännischen und inhaltlich fundierten Beitrag" leisten könne.

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In seinem Brief spricht er mit Blick auf den Münchner Theaterstreit von "selbsternannten Israelbeschützern und Antisemitismusbekämpfern", deren Rufe nach "Zensur, Absetzung und sofortiger Streichung städtischer Gelder" an die BDS-Kampagne erinnerten. Von den Grünen im Rathaus hätte er sich "ein kraftvolles Vorgehen zum Schutz freier Kultur und freier Meinungsäußerung in unserer Stadt gewünscht". Doch er sei "bitter enttäuscht" worden.

Bürgermeisterin Habenschaden sagte am Dienstag, die Vorwürfe ihres Parteifreundes basierten offenbar auf einem Missverständnis: "Niemand hat die Absetzung des Stücks gefordert." Ihr sei es vor allem darum gegangen, dass die Akteure sich zusammensetzen statt übereinander zu sprechen. Auch die Verknüpfung der Debatte um "Vögel" mit dem BDS-Thema in Montags Brief erschließe sich ihr nicht. Auch Fraktionschef Krause betonte, die Absetzung sei eine Entscheidung des Theaters gewesen. "Uns geht es darum, das Thema nicht wegzuschieben, sondern einen Umgang damit zu finden."

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