München:Trickreich gegen Minotauros

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Die Künstlerin Isolden zeigt Ariadne-Figuren im Schauraum am Ackermannbogen

Von Ellen Draxel

Es sind diese großen runden Augen in den Gesichtern. Sie scheinen den Betrachter regelrecht zu fixieren. Kombiniert mit einem Lächeln, hat man den Eindruck, als blickten sie tief in unser Innerstes. Andere Figuren in Isoldens Atelierwohnung wirken, als wollten sei einem eine Geschichte erzählen. Davon, wie sie die Welt wahrnehmen. Oder welche Gefühle sie gerade empfinden. Nicht laut und volltönend. Eher sanft, die Seele berührend. Jeder, der die abstrahierten Wesen ansieht, die auf ihren Sockeln thronen, interpretiert sie anders. "Beim Zuschauer provozieren die Figuren ein tieferes Erleben von sich selbst", sagt die Künstlerin. "Lässt man sich auf sie ein, ermöglichen sie einem die Chance, sich selbst nah zu sein."

Isoldens Thema ist der Mensch. Wie er im Leben steht. Welche Kraft von ihm ausgeht. Wie glücklich er sein kann. Aber auch, wo seine Reise hinzugehen vermag. Wenn am Mittwoch, 8. März, um 18 Uhr im Schauraum am Ackermannbogen die Ausstellung "Ariadne und das Labyrinth" eröffnet wird, bekommen die Besucher dort mehr zu sehen als nur Stein- und Bronze-Ästhetik. Zu betrachten sind Symbole fraulicher Stärke, versinnbildlicht in den Figuren der Bildhauerin.

Isolden, alias Isolde Schaeffer, arbeitet vorzugsweise mit Bronze, Stein und Holz. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Isoldens Schaffen ist umfangreich. Es umfasst 1225 Arbeiten, aber weil die Ausstellung aus Anlass des Internationalen Frauentags stattfindet, zeigt die 62-Jährige im Rückgebäude der Therese-Studer-Straße 9 nur ausgewählte Exponate aus ihres Gesamtwerk: als Herzstück fünf fein ziselierte Ariadne-Skulpturen aus Bronze, dazu archaisch anmutende Figuren aus Stein und Holz. Plus bunte Collagen auf Steinpapier.

Für Isolden verkörpert Ariadne weibliche Aspekte wie Intuition, Erfahrung und Weisheit. Um dem athenischen Königssohn Theseus den Weg aus dem Labyrinth des Minotauros zu weisen, so erzählt es die griechische Mythologie, gibt Ariadne dem Geliebten ein Knäuel eines selbst gesponnenen, roten Wollfadens mit. Dieser Faden, abgerollt zur richtungsweisenden Schnur, lotst Theseus sicher in die Freiheit. Ein Thema, findet die Künstlerin, das heute so aktuell sei wie damals. "Es geht darum, im Leben zum Kern des Daseins vorzudringen. Und weibliche Eigenschaften geben auf der Reise zum eigenen inneren Labyrinth nachhaltig Orientierung auf dem Lebensweg." Deshalb stehen die Ariadne-Figuren auch fest mit beiden Beinen auf der Erde, obwohl sich in ihrem Körper so manches windet. Deshalb wirken sie so aufrecht und groß, trotz ihrer zierlichen Formen.

Gefertigt sind die Ariadne-Skulpturen aus Bronze. Künstlerin Isolden, die mit bürgerlichem Namen Isolde Schaeffer heißt, ist eine Materialfetischistin - sie liebt das Haptische, verwendet viel Zeit und Energie auf die Oberflächenstruktur ihrer Kunstwerke. Für ihre Bronze-Figuren kreiert die Bildhauerin Formen aus Wachs, die sie anschließend in eine Gießerei bringt. "Wenn ich die frisch gegossenen Arbeiten wiederbekomme, sehen sie aus wie Igel - wegen der Angusskanäle", lacht die Künstlerin. Dann muss sie noch mit der Flex ran, muss feilen und mit feinsten Stiften die finale Optik ihrer Skulpturen herausarbeiten. Am Schluss kommt eine Patinierpaste auf die Bronzefläche - dadurch werden Höhen und Tiefen sichtbar, die Figuren wirken lebendiger.

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(Foto: Matthias Döring)

Die Ausstellung "Ariadne und das Labyrinth" zeigt Symbole fraulicher Stärke.

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(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Die Figuren wirken, als wollen sie eine Geschichte erzählen.

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(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Archaisch anmutend: eine Ariadne-Figur.

Der rote Wollfaden der Ariadne, in der Ausstellung am Ackermannbogen dargestellt durch ein rotes Band entlang der Wände, umschließt im Schauraum aber mehr als die Bronze-Statuen. Zu sehen sein werden auch zahlreiche Stein-Figuren - die "Segnende" etwa oder die "Schlüsselfrau". Und "Die Große Mutter", eine Skulptur aus einem Sandstein-Kopf mit einem Körper aus Treibholz und kleineren, etwas tiefer angesiedelten Alabaster-Gesichtern. "Die Mutter gebiert alle aus sich und wacht gleichzeitig über sie", erläutert Isolden. Im Atelier finden sich zusätzlich Figuren mit Titeln wie die "Beschützerin", "Am Herzen" oder "Das Paar".

"Zweisamkeit, Schutz, Kommunikation, auch das Emporwachsen dürfen und der Kontrast Groß/Klein sind typische Themen meines Schaffens", sagt die Schwabingerin. Die Namen zu den Kunstwerken entstehen beim Arbeiten: Viele ihrer Skulpturen haben weder Arme noch Beine, lediglich einen minimalistischen Rumpf und einen ausdrucksstarken Kopf. Sprache dient da als Brücke zwischen Abstraktion, Symbolik und Emotion.

Isolden will, das ist ihr ein zentrales Anliegen, "Dinge schaffen, die bleiben". Gewichtiges, inhaltlich wie materiell. Deshalb liebt sie auch das Material Stein so, alle Arten von Stein. Angefangen hat sie mit Marmor, dann kam heller Sandstein aus Heilbronn und roter aus dem Odenwald dazu. Inzwischen nutzt sie zusätzlich Tuffstein, Alabaster, Steatit. "Ich fühle das Archaische des Steins, und ich glaube, die Menschen auch. Das gibt uns Halt, das erdet uns."

Auf Steinpapier fertigt Isolden bunte Collagen. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Isolden, die schon in Paris, Berlin, Zürich, Frankfurt, Bremen und viele Male in München ausgestellt hat, ist eine Jahreszeiten-Künstlerin. Im Sommer arbeitet sie in ihrer Werkstatt im Feldmochinger Botanikum, für das Bearbeiten von Stein braucht sie neben Hammer und Meißel auch die Flex. "Das ist laut und geht nur im Freien." Mit Wasser und einem Diamantschleifschwamm glättet sie das harte Material - sogar die Mimik ihrer Figuren wird auf diese Weise modelliert. Anschließend verbindet sie mit der Bohrmaschine die verschiedenen Teilelemente der Skulpturen zu einem bewegten Ganzen.

Im Winter dagegen widmet sich die Münchnerin in ihrer Atelierwohnung an der Clemensstraße einer anderen Art von Collage: Kunstwerken auf Steinpapier. Der Unikat-Zyklus, komponiert aus Ausschnitten von Zeitschriften und Drucksachen mit Farbmitteln wie Kreiden, Aquarell, Graphit, Pigmentstiften oder Gouache, ist ebenfalls eine Ode an die Frau. Gezeigt werden ausschließlich liebende Paare oder spielerisch leicht wirkende, sinnliche Frauen. Diese kleinformatigen Bilder versprühen geradezu Isoldens Hauptmotiv "Manifeste der Lebensfreude".

Zu sehen ist die vom Kulturbüro des Ackermannbogen-Vereins veranstaltete Werkschau im Schauraum an der Therese-Studer-Straße 9 vom 8. bis 26. März jeweils mittwochs bis freitags zwischen 17 und 19 Uhr sowie an den Wochenenden von 15 bis 19 Uhr. Zur Finissage am 26. März zeigt Inge Engel um 17 Uhr die Performance "Ariadne tanzt". Und am Samstag, 25. März, bietet Isolden für 27 Euro einen dreistündigen Workshop zu den Basics der Collagentechnik an.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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