Maxvorstadt:Was wird aus dem alten Justizzentrum?

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Die Arbeit am Gericht in München könnte durch den Einsatz von KI erleichtert werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

2025 soll das Gerichtsgebäude an der Nymphenburger Straße frei werden - und die Planspiele laufen auf Hochtouren. Denn alles ist möglich: von Abriss, Wohnungsbau bis Umnutzung.

Von Ellen Draxel

Das neue Strafjustizzentrum am Leonrodplatz nimmt Gestalt an. Eineinhalb Jahre noch, dann soll der Neubau in Neuhausen fertig sein. "Die Übergabe des Gebäudes", sagt Christian Wiesbacher vom bayerischen Bauministerium, "ist für Frühjahr 2025 vorgesehen".

Das Datum interessiert nicht nur die 1300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus sechs verschiedenen Justizbehörden und Gerichten, die in dem Neubau einmal arbeiten werden. Auch die Bewohner des Benno-Viertels in der Maxvorstadt verfolgen die Entwicklung gespannt. Denn in ihrem Viertel, knapp zwei Kilometer stadteinwärts zwischen Nymphenburger und Linprunstraße, steht das aktuelle Strafjustizzentrum. Mit dem Umzug der Verwaltung an das südliche Oberwiesenfeld werden in der Maxvorstadt enorme Flächen frei: 50 000 Quadratmeter Geschossfläche auf einem 17 500 Quadratmeter großen Grundstück.

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Wird der Sichtbetonbau aus den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts abgerissen und macht Platz für Neues? Oder kann er saniert und umgenutzt werden? Entschieden ist bislang nichts, diskutiert wird bereits intensiv - gerade auch über eine mögliche Erhaltung des vorhandenen Komplexes.

Der Freistaat favorisiert den Bau von Staatsbediensteten-Wohnungen auf dem Gelände, laut Bauministeriums-Sprecher Wiesbacher "prüfen die staatlichen Wohnungsbaugesellschaften Bayernheim und Stadibau gemeinsam Möglichkeiten zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums auf der Liegenschaft". Und das, wie es heißt, ergebnisoffen: Untersucht werden sowohl eine alternative Verwendung des Bestandsgebäudes als auch eine Neubebauung. Das Ganze auf Basis einer Kabinettsentscheidung vom Februar. "Unsere Maßgabe ist klar", sagte Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) damals. "Wir wollen so viele Wohnungen errichten wie möglich." Zuvor war definitiv geplant gewesen, den Altbau plattzumachen.

Im Juli 2022 gab es die ersten Einblicke bei der Baufeier für das neue Strafjustizzentrum München am Leonrodplatz. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wann erste Ergebnisse zu den Untersuchungen vorliegen, lässt das Ministerium offen, im städtischen Planungsreferat rechnet man damit "voraussichtlich 2024". Aus kommunaler Sicht jedenfalls "wäre ein erheblicher Anteil Wohnen auf dem Areal möglich und erwünscht". Vom Tisch sind damit auch zwischenzeitliche Überlegungen der Staatsregierung, an der Nymphenburger Straße eine Dependance des Innenministeriums zu schaffen.

Dass bezahlbarer Wohnraum auf dem Gelände entstehen sollte, unterstützen Stadträte, Lokalpolitiker und Nachbarn. Im Viertel plädieren sie aber dafür, nicht nur Beamtenwohnungen zu ermöglichen, sondern preisgünstiges Wohnen für alle. "Mit einer bezahlbaren Wohnnutzung für junge Leute und Senioren könnte man das ehemalige Bombenloch zu einem harmonischen Treffpunkt machen", sagt Barbara Weschke-Scheer von der Initiativgruppe Benno-Viertel.

Die Anwohner würden sich über Dachgärten und Spielplätze freuen

Die pensionierte Lehrerin wohnt seit 50 Jahren in der Gegend. Sie kennt die Historie des Grundstücks mit seinem einstigen Bierpalast "Arzberger Keller", der im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde und einen Krater hinterließ. Und sie weiß, wie sich die Mieten zuletzt entwickelten: "Verzehnfacht haben sie sich in den vergangenen 40 Jahren." Dieser Gentrifizierung müsse Einhalt geboten werden. Dazu gehörten Angebote wie Senioren- oder Pflege-Wohngemeinschaften. Mit ihrer Forderung nach sozialverträglichem Handeln ist Weschke-Scheer nicht allein, bei einer Veranstaltung zur möglichen Zukunft des alten Strafjustizzentrums teilten viele der rund 70 Besucher ihre Meinung. Auch Lokalpolitikerin Svenja Jarchow-Pongratz (Grüne). "München hat ein Problem mit bezahlbarem Wohnraum für alle", betonte die Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses. "Dafür zu sorgen, dass sich das ändert, sollte beim Freistaat oberstes Ziel sein."

Die Anwohner wünschen sich Begegnungsstätten - kleinere Geschäfte, Kneipen und Cafés, Kunst- und Kulturangebote, Werkstätten sowie Räume für Vereinsarbeit, Sport und ein Café. Sie würden sich über Dachgärten, Spielplätze und öffentliche Zugänge in dem baumumsäumten Park freuen, der sich hinter dem hohen Betonbau an der Nymphenburger Straße befindet. Und sie fänden Modelle gut, die helfen könnten, möglichst viele Autos und den Durchgangsverkehr aus den Straßen zu verbannen. Mittels Quartiersgaragen etwa, die auf dem Gelände des Justizzentrums errichtet werden könnten. Oder in Form einer Umstrukturierung des Benno-Viertels in einen Superblock, nach dem Vorbild der verkehrsberuhigten Viertel von Barcelona.

Dass es keinen Neubau brauche, sehen nicht nur viele Politiker und Politikerinnen wie die Stadträtin Anna Hanusch (Grüne) so, die derzeit einen Antrag mit der Forderung nach einem weitgehenden Bestandserhalt und einem offenen Verfahren zum Finden der Nutzungsmischung vorbereitet. Das betont seit Monaten auch das Team der Initiative "Justizzentrum erhalten". Unter dem Motto "Abbrechen abbrechen" haben sich 13 junge Architekten und Architektinnen zusammengeschlossen, um für ein Umdenken bei der Bau- und Abrisspraxis zu werben.

Marode seien die alten Gemäuer nicht, sagen Architekten

"Wir sehen ein riesiges Potenzial in der Umnutzung dieses Gebäudes", warb Aktivistin Antonia Prohammer bei dem Treffen im Benno-Viertel um Unterstützung. "Der Bausektor ist für 40 Prozent der Treibhausgase, 50 Prozent des Primärenergieverbrauchs und 36 Prozent des Müllaufkommens verantwortlich. Wir haben also eine Verantwortung, Gebäude zu transformieren." In den Hochschulen sei diese Erkenntnis längst verbreitet, nur in der Praxis sei sie nicht oder kaum angekommen. Die jungen Leute haben daher ein an den Freistaat und die Stadt gerichtetes Positionspapier verfasst, das 51 Organisationen und 89 Einzelpersonen aus Zivilgesellschaft und Fachwelt mit unterzeichnet haben, darunter die "Architects for Future", die Deutsche Umwelthilfe und der Landes- und Kreisverband des Bundes Deutscher Architekten.

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Marode jedenfalls, wissen die Architekten des Vereins Urbanes Wohnen nach einer Begehung des Baus vor zwei Wochen, sei das alte Strafjustizzentrum nicht. Lediglich reparaturbedürftig. Erfahrungen, wie eine Sanierung funktionieren könnte, seien bereits vorhanden, denn das rückwärtige Gebäude an der Linprunstraße wurde schon erfolgreich modernisiert.

Und auch der Wunsch, die Optik des im brutalistischen Baustil errichteten Strafjustizzentrums verändern zu wollen, sei kein Argument für einen Abriss, sagt Leila Unland von der Initiative "Justizzentrum erhalten". "Die Ästhetik ist Geschmackssache. Und nach einer Umnutzung kann ein Gebäude völlig anders aussehen." Durch das Vorschalten einer zweiten Fassade etwa. Oder durch Begrünung und Farbgebung. Wie das aussehen könnte, haben Studenten und Studentinnen simuliert.

Ob sich die Befürworter eines Erhalts oder Teilerhalts nun durchsetzen oder der Altbau doch weichen soll - so oder so muss das Haus zunächst einmal asbestsaniert werden. Voraussichtliche Dauer: eineinhalb Jahre.

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