Doppelnutzung:Unten parken, oben wohnen

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An der Rümannstraße in Schwabing-West plant die Wohnungsbaugesellschaft Gewofag ihr drittes Stelzenhaus über einem Parkplatz. Simulation: Diezinger Architekten (Foto: N/A)

Kreative Nachverdichtung: Münchenstift und Gewofag bauen ein Stelzenhaus mit 56 Werkswohnungen über einem Parkplatz an der Rümannstraße.

Von Ulrike Steinbacher

Wie lässt sich die Wohnungsnot bekämpfen, wenn München weder in der Fläche ausfransen noch in die Höhe schießen soll? Wenn Versiegelung begrenzt und Frischluftschneisen erhalten bleiben sollen? Doppelnutzung lautet das Zauberwort: Man nehme eine bereits asphaltierte Fläche, einen Parkplatz zum Beispiel, und baue oben drüber bezahlbare Wohnungen. Was 2016 mit dem sogenannten Stelzenhaus am Dantebad begann, findet allmählich Nachahmer. Der städtische Altenheim-Träger Münchenstift und die Wohnungsbaugesellschaft Gewofag kündigen nun ein gemeinsames Projekt an, eine Doppelnutzung mit doppeltem Nutzen: Bis Ende 2026 entstehen über dem Mitarbeiterparkplatz an der Rümannstraße 60 in Schwabing-West 56 Werkswohnungen. Leben sollen dort Pflegekräfte, die nebenan im Betreuten Wohnen von Münchenstift arbeiten.

Die Idee dazu hatte Münchenstift-Geschäftsführer Siegfried Benker. "Wer in Zukunft keinen Wohnraum anbieten kann, wird große Schwierigkeiten haben, überhaupt noch Pflegepersonal zu motivieren, nach München zu ziehen", prophezeit er. Die städtische Tochtergesellschaft, die gut ein Dutzend Seniorenheime betreibt, kann ihren etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bisher rund 400 Wohnplätze bieten. Dazu gehören Apartments, die meisten in einem Hochhaus am Westpark, und Wohngemeinschaften, zum Beispiel in einem umgebauten Bürogebäude am Partnachplatz. Der Standard sei vorwiegend einfach, sagt Benker, größere Wohnungen gebe es nicht. Also nahm er sich das Stelzenhaus am Dantebad und das zugehörige kommunale Programm "Wohnen für alle" zum Vorbild und suchte einen Kooperationspartner, um das Angebot der Münchenstift zu vergrößern.

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Fündig wurde Benker bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag, die inzwischen schon Erfahrung mit Stelzenhäusern hat. 2016 hatte sie in Rekordzeit den Prototyp am Vordereingang des Dantebads errichtet - vier Stockwerke mit hundert Wohnungen über den gut hundert Parkplätzen an der Postillonstraße. Projekt Nummer zwei ist gerade im Bau, "das Ganze in größer", wie Gewofag-Sprecherin Kirsten Wiese sagt: 144 Wohnungen über dem Parkplatz am Reinmarplatz in Gern, auf der Westseite des Dantebads. Anfang 2022 sollen dort die ersten Bewohner einziehen.

Das Pilotprojekt der Gewofag war der Stelzenbau über dem Parkplatz am Dantebad. (Foto: Lukas Barth)

An der Rümannstraße, auf dem größten Parkplatz der Münchenstift, entsteht nun das dritte Stelzenhaus der Gewofag. Geplant sind wieder vier Stockwerke, errichtet wird ein Holzhybridhaus mit Photovoltaik, einem Dachgarten und einem Gemeinschaftsraum auf dem Dach, der als Waschküche dienen soll. Die Planung startet voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2022. Wenn alles klappt, wird von Herbst 2024 an gebaut, Ende 2026 können die Pflegekräfte in die 56 Ein- bis Drei-Zimmer-Werkswohnungen einziehen. Münchenstift und Gewofag schließen dafür einen Generalmietvertrag, vermietet wird nach dem München-Modell.

Kreative Nachverdichtung beschränkt sich aber nicht auf Parkplätze, auch der Luftraum über Supermärkten wird neuerdings genutzt. Gerade hat die Gewofag ihre erste Kooperation mit dem Discounter Lidl angekündigt: Der Einzelhändler reißt die bestehende Filiale an der Tübinger Straße in Sendling-Westpark ab, und die Gewofag errichtet auf dem Lidl-Grundstück einen Neubau mit Tiefgarage, Einkaufsmarkt im Erdgeschoss und gut hundert bezahlbaren Wohnungen in den vier Stockwerken darüber. Auch dieses Projekt soll Ende 2026 fertig sein.

Damit "baut erstmalig eine städtische Wohnungsbaugesellschaft in München auf dem Grundstück eines Lebensmitteleinzelhändlers Wohnungen", erklärt Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler. Marek Franz, Leiter der Lidl-Immobilienregion Südost, kennt solche Kooperationen schon aus Berlin. Fortsetzung folgt, versprechen beide Beteiligte. Davon kann Siegfried Benker nur träumen: Die Münchenstift hat einfach keinen weiteren Parkplatz, der für ein Stelzenhaus groß genug wäre.

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