München/Steinhöring:Protest für geschasste Chefin

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Scharfe Kritik an Vorgehen der Katholischen Jugendfürsorge

Von Viktoria Spinrad, München/Steinhöring

Am Montag hat Kardinal Reinhard Marx Post bekommen. Es war ein Brief aus Ebersberg, zwei Seiten, unterschrieben von der gesamten Polit-Prominenz des Landkreises - CSU, SPD, Grüne. In einer beispiellosen Aktion appellierten Landrat und örtliche Abgeordnete an den Kardinal, sich für eine überaus beliebte, ehemalige Mitarbeiterin der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) einzusetzen. Gertrud Hanslmaier-Prockl, die als Chefin des Einrichtungsverbunds Steinhöring für mehr als 900 Mitarbeiter verantwortlich war, ist vom Träger geschasst worden. "Es ist, als wäre jemand gestorben", sagte eine Mitarbeiterin über die Stimmung nach dem Rauswurf. Die Fassungslosigkeit von Betreuten und Kollegen war auch am vergangenen Donnerstag am Münchner Arbeitsgericht zu erleben. 70 Menschen quetschten sich in den Saal, um eine Güteverhandlung zu verfolgen.

Ein Konflikt voller Emotionen, der sich nun auch auf München ausweitet. Die Katholische Jugendfürsorge hat hier ihren Hauptsitz, 85 Standorte und 2500 Mitarbeiter zwischen dem Landkreis Landshut im Norden, München im Westen und Berchtesgaden im Südosten werden von hier aus gemanagt. An diesem Mittwoch dürfte es reichlich unangenehm werden. Nicht nur wollen dann Mitarbeiter 720 Unterschriften für den Verbleib ihrer nun freigestellten Chefin übergeben. Im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung soll es auch zu einer Art Generalaussprache über weitere geschasste Leiter sowie Organisationsstrukturen, die Notwendigkeit externer Berater und möglicherweise unzulässige Immobilienverkäufe durch den kirchlichen Träger kommen.

Anlass dafür ist ein Antrag mehrerer Mitglieder, der der SZ vorliegt. Ihm ist zu entnehmen, dass die Causa Hanslmeier-Prockl wohl kein Einzelfall ist. In den vergangenen 2o Jahren hat sich die KJF offenbar von mehreren Mitarbeitern in höheren Positionen getrennt, dabei sollen immer wieder hohe Abfindungssummen geflossen sein. Hinzu kommt, dass die KJF ihr vererbte und geschenkte Gebäude und Grundstücke veräußert und parallel in eine kostspielige Organisationsreform investiert haben soll.

Mitarbeiter berichten von Unternehmensberatern, die bisher vor allem am Standort Aschau unterwegs waren und nun auch in Steinhöring Mitarbeiter interviewen. Ein Umstand, der Hanslmeier-Prockl offenbar missfallen hat. Sie soll eigene Verbesserungsvorschläge gemacht haben, um andere Teilbereiche der KJF aus den roten Zahlen zu holen - und kassierte die Kündigung, die vergangene Woche publik wurde. Der KJF möchte den Fall aus Datenschutzgründen nicht kommentieren, nur so viel ist zu erfahren: Es sei zu "unüberbrückbaren Differenzen" gekommen.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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