Dreikönigstreffen der Münchner SPD:"Wir müssen die Demokratie verteidigen"

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Christian Köning, Verena Dietl, Florian von Brunn und Maria Noichl beim Dreikönigstreffen der SPD im Münchner Hofbräukeller. (Foto: Robert Haas)

Die Sozialdemokraten stimmen sich auf das politische Jahr 2024 ein. Maria Noichl, die Spitzenkandidatin für die Europawahl, sieht eine "schwierige Gemengelage". Bayerns SPD-Vorsitzender Florian von Brunn warnt vor den "Totengräbern Europas".

Von Joachim Mölter

Maria Noichl hat 300 rote Wärmflaschen mitgebracht zum traditionellen Dreikönigstreffen der Münchner SPD am Samstag im Hofbräukeller, quasi für jeden Teilnehmer eine. Mit dem Präsent wollte die Europa-Abgeordnete aus Rosenheim veranschaulichen, wofür die Sozialdemokraten stehen: "Für die Wärme zwischen den Menschen." Zudem deklarierte sie das Utensil als Symbol für die Notwendigkeit von Kompromissen: "Mit ganz heißem oder ganz kaltem Wasser funktioniert sie nicht. Nur mit einer Mischung aus heißem und kaltem Wasser passt es." Damit knüpfte sie an die Rede des bayerischen SPD-Vorsitzenden Florian von Brunn an, der daran erinnert hatte, woran die erste deutsche Demokratie - die Weimarer Republik - am Ende gescheitert war: "Die bürgerlichen Parteien waren nicht mehr in der Lage, Kompromisse zu finden."

Bei der Einstimmung auf das politische Jahr 2024 sprach Florian von Brunn von der Hoffnung, dass es ein gutes Jahr werden könnte: Schließlich wird das Grundgesetz 75 Jahre alt, und die zweite deutsche Demokratie habe sich als "Erfolgsmodell" erwiesen. Es könnte aber auch "ein ganz anderes Jahr werden, ein schlimmes, schwarzes", so der Fraktionschef der SPD im bayerischen Landtag. Nicht nur bei der Europawahl im Sommer, sondern auch bei den Landtagswahlen in drei östlichen Bundesländern im Herbst sieht er große Gefahren durch Rechtspopulisten und -extremisten auf das Land zukommen. "2024 wird kein leichtes Jahr", prognostizierte Brunn: "Wir müssen die Demokratie verteidigen."

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Münchens Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl hatte bereits in ihren Begrüßungsworten die Aufgabe der SPD beschworen, die Gesellschaft zusammenzuhalten: "Wir wollen für eine gute und sichere Zukunft in Deutschland und Europa sorgen." Maria Noichl, die Spitzenkandidatin der bayerischen Sozialdemokraten für die Wahl zum Europäischen Parlament in Brüssel, räumte eine "schwierige Gemengelage" ein und legte dar, "warum es gerade jetzt uns Sozialdemokraten braucht" - trotz aktuell weiter sinkender Werte in den Umfragen. Noichls Antwort: "Wir sehen, wie groß die Armut in Europa ist, und wie sie weiter Raum greift. Wir krempeln die Ärmel hoch für mehr Verteilungsgerechtigkeit. Wir stehen für Solidarität ein."

Für die Rosenheimerin ist eine gute Sozialpolitik auch Teil der europäischen Sicherheitspolitik, ob es nun um Wehrhaftigkeit geht gegen mögliche Begehrlichkeiten des russischen Präsidenten Wladimir Putin oder um die Eindämmung von Flüchtlingsströmen durch die Bekämpfung von Fluchtursachen. "In Afrika wollen nicht alle nach Deutschland", sagte Maria Noichl, "aber alle wollen so leben wie in Deutschland". Deshalb müsse Europa auf dem Nachbarkontinent für soziale Gerechtigkeit sorgen; das von der SPD angestoßene Lieferkettengesetz sei dabei ein Instrument.

Die SPD beschwört die Solidarität in Deutschland und Europa. (Foto: Robert Haas)
Maria Noichl, Spitzenkandidatin für die Europawahl, hatte jede Menge Wärmflaschen im Gepäck. (Foto: Robert Haas)
Wohnungsbau, Fortschritt und soziale Gerechtigkeit: Die Themen waren vielfältig. (Foto: Robert Haas)

Wie zuvor schon Brunn kritisierte auch Noichl die CDU/CSU-Opposition im Bundestag. Die solle sich mit dem Verlust ihrer Gestaltungsmacht abfinden, sich mit der neuen Rolle am Spielfeldrand arrangieren und von dort aus konstruktive Vorschläge machen, anstatt nur über die Politik der Bundesregierung zu meckern. "Demokratie heißt nicht, hundertmal nacheinander das Wort ,Scheiße' zu schreien", mahnte Noichl. Brunn hatte zuvor den Parteivorsitzenden Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) vorgeworfen: "Sie spalten uns." Auch den Chef der bayerischen Freien Wähler nahm er in den Fokus: "Wer so zündelt wie Hubert Aiwanger, hat nichts begriffen von politischer Verantwortung."

Die nehme die Münchner SPD seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik wahr, auch "in schwierigen Zeiten wie jetzt", betonte später Christian Köning, der Chef des örtlichen SPD-Verbandes sowie der Stadtratsfraktion im Rathaus. "Viele Münchner haben Angst vor Wohlstandsverlust und nicht das Gefühl, dass es gerechter geworden ist", räumte er ein und rief seine Parteifreunde auf: "Wir müssen erklären, was wir dagegen tun - und was uns daran hindert, mehr zu tun." Kernthema seines Vortrags war der Wohnungsbau, um ein bezahlbares Leben in München zu ermöglichen. Dafür brauche die Stadt aber die Unterstützung des Freistaats, und "das Hauptproblem ist, dass die CSU da seit Jahren versagt".

Könings Forderung nach einem "sozial gerechten Fortschritt" sahen seine Vorredner und -rednerinnen durch die rechtsgerichteten Parteien in Deutschland und Europa gefährdet. Die wollten den Abbau des Sozialstaats. Mit Verweis auf den Brexit, Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union, appellierte Florian von Brunn: "Wer die Rechten wählt, wählt den Wohlstand ab. Wer die Extremisten wählt, wählt die Totengräber Europas."

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