Wohnraum für 30 000 Menschen:Große Pläne für den Münchner Nordosten

Lesezeit: 3 Min.

Statt Pferden könnten in der Gegend rund um die Olympia-Reitanlage in einigen Jahren Autos und Trambahnen unterwegs sein. Die Stadt will mit der Erschließung der Siedlungsareale A und B beginnen; C, F und H stehen am Ende der Entwicklung. (Foto: Robert Haas)

Die Stadt stellt vor, wie sie in die Erschließung des 600 Hektar großen Planungsgebiets bei Daglfing einsteigen will. Die Olympia-Reitanlage könnte dann verschwinden.

Von Sebastian Krass

Ein erstes Siedlungsgebiet sowie eine Tramlinie und eine Straße auf dem derzeitigen Areal der Olympia-Reitanlage, und daran nördlich anschließend ein größeres Stadtviertel samt Badesee: So plant die Stadt derzeit den Einstieg in die Besiedlung des Münchner Nordostens, wo nach dem Willen der grün-roten Stadtregierung langfristig Wohnraum für 30 000 Menschen entstehen soll. Auch 10 000 Arbeitsplätze sind geplant. Es handelt sich um das derzeit größte Siedlungsprojekt der Stadt. Das 600 Hektar große Planungsgebiet östlich der S-8-Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen firmiert als "SEM-Gebiet", weil die Stadt möglicherweise mit dem Instrument einer "städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme" arbeiten will.

Der Freistaat Bayern sei "verhandlungsbereit", die Olympia-Reitanlage in Riem in die Planung einzubringen, sagte Michael Hardi, Leiter der Stadtplanung im Planungsreferat, am Montag während einer Pressekonferenz. Das könnte bedeuten, dass der traditionsreiche Pferdesportstandort, zu dem die benachbarten Anlagen des Galopprennsports und die Trabrennbahn in Daglfing nicht gehören, aufgegeben wird. Hardi betonte, dass es für manche Teile "noch langfristige Mietverträge" gibt. Er schilderte aber auch Überlegungen, "die verkehrliche Erschließung durch dieses Gebiet zu führen". So könnte die Tramlinie, die derzeit bis Steinhausen führt, dorthin verlängert werden und der Straßenverkehr von der Riemer Straße aus weiter nach Norden geführt werden. Auch Wohnungsbau würde dort entstehen. Vom bayerischen Bauministerium war am Montag keine Stellungnahme zu bekommen.

Soll bezahlbar und modellhaft sein: das neue Siedlungsquartier. (Foto: Rheinflügel Severin/BBZ Landschaftsarchitekten/LH München)

Zudem schilderte Hardi, dass nordwestlich der Reitanlage ein weiteres Siedlungsgebiet entstehen könnte, durch das die Tram weiterfahren und das nördlich durch einen von West nach Ost verlaufenden Grünstreifen mit einem neuen Badesee begrenzt würde. Großer Vorteil dieses Areals ist nach Hardis Worten, "dass dort relativ viele Flächen der Stadt gehören und wir in guten Gesprächen mit einzelnen Landwirten sind", denen weitere Flächen gehören.

Die Überlegungen des Referats fußen auf dem Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs für den Nordosten, der vom Architekturbüro Rheinflügel Severin und BBZ Landschaftsarchitekten stammt. Wie viele Wohnungen auf den zwei Siedlungsflächen, die in einem Strukturplan der Stadt mit B (Reitanlage) und A benannt sind, entstehen könnten, dazu machte Hardi noch keine Angaben. Er sprach aber davon, dass die insgesamt acht potenziellen Siedlungsflächen, die das Referat auf dem Gesamtareal identifiziert hat, jeweils "maximal in einer Größenordnung" von 2000 bis 2500 Wohnungen denkbar wären, manche auch kleiner. Denn das sei eine Dimension, "die als Quartier für sich wirksam wird", so Hardi.

"Man spricht ja beim Nordosten immer von einem neuen Stadtviertel, ich rede lieber von mehreren neuen Quartieren". Schließlich würden diese - wenn die Pläne Wirklichkeit werden - nach und nach entstehen. Die noch weiter nördlich, auf Höhe des S-Bahnhofs Johanneskirchen gelegenen Siedlungsgebiete C, F und H etwa stünden eher am Ende der Entwicklung, weil man dafür die Entscheidung der Bahn abwarten müsse, ob die Zugtrasse in einen Tunnel verlegt wird oder nicht. Hardi und seine Chefin, Stadtbaurätin Elisabeth Merk, wollten aber auch zu den zunächst anstehenden Gebieten B und A keinen Zeitplan nennen. Merk sagte lediglich, sie hoffe, dass man bis zum Jahr 2030 in dem Badesee schwimmen gehen könne. Es handele sich um ein "Generationenprojekt, dem man auch Zeit geben muss, um nicht voreilig ein paar Wohnungen zu bauen und dann zu merken, dass ganz viel falsch gemacht wurde".

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Mit dem nun öffentlich gemachten Planungsstand versucht die Stadt, die Debatte wegzulenken vom Thema SEM, einem Instrument aus dem Baugesetzbuch, und der damit verbundenen Möglichkeit der Enteignung, die von Gegnern des Projekts immer wieder angeführt wird. Enteignungen sind als ultima ratio vorgesehen, wenn das Gesamtprojekt in Gefahr gerät, weil Eigentümerinnen oder Eigentümer ihre Grundstücke nicht hergeben wollen. 450 Hektar des Planungsgebiets, auf dem auch großzügige Erholungsflächen entstehen sollen und weiter Platz für Landwirtschaft sein soll, gehören Privaten oder dem Freistaat, 150 Hektar der Stadt. Hardi und Merk betonten, dass der Stadt sehr daran gelegen sei, die Planungen einvernehmlich voranzutreiben.

Kürzlich hat der Stadtrat Mittel für ein Rechtsgutachten freigegeben. Es soll auch Antworten darauf geben, welche Preise die Stadt für Grundstücksankäufe bieten darf, "um damit auch einen erwarteten Mehrwert vorab auszuschütten", wie Hardi sagt. Derzeit darf die Stadt nur den Verkehrswert für landwirtschaftliche Flächen bezahlen, da die Preise mit der Einleitung des SEM-Verfahrens eingefroren wurden. "Wir wollen gern eine Zahl, die plakativ ist", sagt Hardi, um Eigentümerinnen und Eigentümer zu einem Verkauf zu motivieren - oder dazu, ihre Flächen zu behalten, in die Planung einzubringen und dann vom Mehrwert zu profitieren. Zudem will die Stadt eine Ombudsstelle für Grundstücksfragen einrichten, um auch "kleineren Eigentümern eine unabhängige gute Beratung zu ermöglichen", wie Merk sagte.

Als nächster Schritt im Planungsprozess ist eine öffentliche digitale Diskussion am 18. Mai geplant. Im Oktober will Merk den aktuellen Stand dem Stadtrat vorstellen. Christian Müller, Vorsitzender der SPD/Volt-Fraktion, äußerte sich am Montag schon wohlwollend: "Wir sehen jetzt schon, dass es ein lebendiges Viertel wird, das bezahlbares Wohnen, Arbeitsplätze, Geschäfte, Restaurants, viele Grünflächen und einen Badesee vereint." Wichtig sei, dass "die Verkehrsinfrastruktur jetzt rasch geplant wird".

© SZ vom 11.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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