München/Schwabing:Mehr Mut zur Wildnis

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Statt langweiligem Einheitsrasen sprießen immer öfter Blumen und Kräuter auf Wiesen und Pflanzstreifen - zum Erhalt der biologischen Artenvielfalt

Von Ellen Draxel, München/Schwabing

München bekommt mehr und mehr Blumenwiesen. 2300 Hektar Grünflächen gibt es in der Stadt, 700 Hektar davon sind inzwischen blühende Oasen. Sie werden nur zweimal im Jahr gemäht und sukzessive qualitativ aufgewertet, indem Teilbereiche mit Wildblumen- und Kräuter-Saatgut bestückt werden - zum Erhalt der biologischen Artenvielfalt. Von den "geimpften" Stellen aus sollen sich die Wiesenblumen und -kräuter dann über die gesamte Grünzone ausbreiten.

Das Baureferat prüft zudem routinemäßig bei Neubau- und Sanierungsvorhaben, insbesondere im Straßenraum und in öffentlichen Grünanlagen, ob sich Möglichkeiten für eine Wiesen-Ansaat oder Wildstauden-Pflanzung anstelle von Rasen ergeben. Im zentralen Park der Neubausiedlung Domagkpark beispielsweise sind 30 Prozent des Areals naturnah gestaltet, in den Grünflächen im Bauquartier Paul-Gerhardt-Allee 37 Prozent. In Freiham-Süd macht der Anteil an Blumenwiesen bereits 45 Prozent und im Neubauquartier Schittgablerstraße sogar 65 Prozent aus. In der Messestadt Riem findet sich eine Wildblumenwiese als Verkehrsbegleitgrün - zwischen der Autobahn A 94 und der Straße am Hüllgraben. Auch die Bepflanzungen am Knotenpunkt Kreuzhof etwa oder entlang der Ständlerstraße sollen der Artenvielfalt dienen.

Westschwabings Lokalpolitiker wollen nun noch einen Schritt weiter gehen. Sie fordern, auch auf den Grünflächen und in den Hinterhöfen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften mehr Blühwiesen anzulegen. Bei der Gewofag hat man diese Umstellung bereits im Fokus. Neben mehrfach gemähten Rasenflächen, die wichtig für die Aufenthalts- und Spielqualität besonders in den wohnungsnahen Freianlagen seien, sagt Konzernsprecher Frank De Gasperi, bewirtschafte das Unternehmen schon immer Wiesenflächen. Diese Bereiche hätten in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. "Die Gewofag forscht intern an unterschiedlichen Verfahren, um ein Optimum aus Gestaltung, Artenschutz und Wirtschaftlichkeit zu generieren", erklärt der Sprecher. Zwar gebe es noch deutlich weniger Wiesen- als Rasenflächen. Doch die Schwerpunkte verschöben sich gerade. "Insbesondere bei weitläufigeren Anlagen mit geringerem Nutzungsdruck soll der Anteil an Wiesenflächen weiter ausgebaut werden", betont De Gasperi.

Ähnlich argumentiert man bei der städtischen Tochtergesellschaft GWG. In Bereichen mit wenig Spieldruck und in flächenmäßig großen Wohnanlagen würden schon jetzt die Schnittintervalle auf Teilflächen so angepasst, dass diese als Wiesenflächen entwickelt werden könnten, sagt Unternehmenssprecher Michael Schmitt. Ein wichtiges Kriterium für den Artenschutz nehme bei der GWG aber auch eine bewusst abwechslungsreiche Gestaltung der Freiflächen aus überwiegend heimischen Pflanzen ein - in Form von blühenden Bäumen, Sträuchern, Hecken, Stauden und Gräsern. "Der GWG München liegt sehr viel daran, die vielfältige Insekten- und Tierwelt gerade in innerstädtischen Bereichen zu erhalten", sagt Schmitt. Zu berücksichtigen seien neben ökologischen Anforderungen jedoch auch ökonomische und soziale Aspekte. Kinder etwa brauchten ausreichend Bewegungsflächen. "Eine Änderung ihres Mähkonzeptes hält die GWG daher nicht für sinnvoll."

Weil Artenschutz viele Facetten hat, geht es Westschwabings Stadtteilvertretern neben der Vermehrung des Blütenangebots aber gleichzeitig um das Verbot von Laubbläsern und Laubsaugern in Parks und Grünflächen. Ein generelles Verbot dieser Geräte ist laut Referat für Gesundheit und Umwelt "auf Basis der geltenden gesetzlichen Regelungen nicht möglich", das wurde "bereits vielfach geprüft".

Auf ihren eigenen städtischen Flächen verzichtet die Stadt nach Aussage der Behörde aber weitestgehend auf den Einsatz der lauten Geräte. Und nimmt ansonsten akkubetriebene Laubblasgeräte, "die erheblich leiser und gleichzeitig abgasfrei sind". Die GWG wiederum nutzt im Herbst ebenfalls Laubbläser, weil damit Grünanlagen bis zu zehn Mal schneller als mit einem Rechen von Laub befreit werden könnten, sagt Schmitt. Ein Verzicht auf den Einsatz solcher Geräte würde zusätzliche Personalkosten verursachen, so der Sprecher, die letztlich die Mieter zu tragen hätten.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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