Münchner Momente:Und jetzt die Werbung

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Die Menschen sind in die Innenstadt zurückgekehrt, doch die meisten haben es nur eilig. Schade, denn mit etwas mehr Zeit könnten sie das örtliche Unterhaltungsangebot genießen: die Schaufenster-Reklame.

Glosse von Philipp Crone

Die Innenstädte mögen vielleicht veröden, aber an den Schaufenster-Gestaltern liegt das nicht. Wer durch die Münchner City läuft, trifft derzeit auf sehr viele andere Menschen, die auch durch die Münchner City laufen und sich von den Einheimischen dadurch unterscheiden, dass sie auf dem Marienplatz um elf und zwölf Uhr noch "Oohh" machen, wenn beim Glockenspiel der Ritter fällt. Den Blick für die Verkaufskunst haben aber weder Ein- noch Auswärtige. Während der Tourist seine Insta-Posts schaffen muss, bevor die Reservierung im Franziskaner verfällt, muss der Münchner eiligst den Reparatur-Slot bei Apple erreichen oder zum Ende der Mittagspause noch das Enkel-Geschenk im Bayern-Store finden. Kaum jemand achtet auf die schönen Dinge, die man nun eigentlich wieder genießen könnte: die zum Teil sehr unterhaltsamen Schaufenster-Einrichtungen.

Fangen wir bei den Beliebig-Marken an, die es in jeder Einkaufsstraße gibt, selbst in Dortmund. Bei O₂ zum Beispiel steht im Schaufenster am Marienplatz eine markenblaue Telefonzelle, ein wenig Selbstironie ist da zu erahnen. Wobei in dieser Hinsicht niemand an die Ludwig-Beck-Schaufenster rankommt, die ja eher kleine Glashäuser sind, mehr Kunstwerk als Preisschildverschönerung. Viele haben das italienische Wort für Salz auf ihrer Scheibe, wahrscheinlich wegen der Preise.

Während die Verkäuferin beim Hofjuwelier Carl Thomass die Rückwand ihres Schaufensters aufschiebt und den wuchtigen Ring mit dem schwarzen Onyx für 1050 Euro liebevoll hindrapiert, wirbt der E-Zigaretten-Hersteller Icos um Mitarbeiter statt um Kunden - mit einem Spiegel, der mit "Wir suchen dich" untertitelt ist. Eher brachial wirbt ein Käseladen, in dem er das Schaufenster mit 200 Laiben vollstapelt. Und im Tal sitzt eine lederbehoste Puppe mit Wildschweinkopf im Straßenverkauf und soll Touristen zum Bierkonsum anregen.

Der Tagessieger ist am Gärtnerplatz zu finden: das Brillengeschäft Pupille. Hier hat man sich fast vollständig vom eigenen Verkaufsprodukt gelöst und zeigt (neben ein paar Brillenmodellen) auf Wäscheständern die Entwicklungsgeschichte der weiblichen Unterwäschemode - von 1900 (bis fast zu den Knien) und 1950 (den Po noch bedeckend) über Pantys bis zum heutigen Nichts eines Strings. Was das soll? Das steht auf der Scheibe, es ist: "Der Beweis für die Klimaerwärmung."

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