Haltestelle Fasanerie:S-Bahn-Surfer in München schwer verletzt

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Ein Warnschild steht vor Gleisen der Münchner S-Bahn. Ebenso lebensgefährlich wie auf den Gleisen ist es auf den Zügen selbst. (Foto: Catherina Hess)

Ein 28-Jähriger ist auf das Dach eines Zuges gestiegen und hat einen Stromschlag erlitten. Er zog sich schwere Verbrennungen zu und stürzte auf den Bahnsteig.

Von Martin Bernstein

Schwere Verletzungen hat am frühen Dienstagmorgen ein "S-Bahn-Surfer" durch einen Stromschlag und den anschließenden Sturz vom fahrenden Zug erlitten. Der 28-Jährige aus dem Berliner Stadtteil Wilmersdorf war auf eine S-Bahn der Linie 1 Richtung Freising geklettert. Ein lebensgefährliches Unterfangen. Denn nicht nur die hohe Geschwindigkeit der Züge auf freier Strecke, sondern auch sogenannte "Stromüberschläge" durch die 15 000 Volt führende Oberleitung können zu Stürzen und schweren Verletzungen führen.

"Bei den meistens schwerwiegenden Brandschäden müssen Verunglückte häufig in ein mehrtägiges oder -wöchiges Koma versetzt werden", sagt Wolfgang Hauner, Pressesprecher der Bundespolizei am Münchner Hauptbahnhof. "Meist werden auch Operationen wegen innerer Verletzungen oder schwerer Knochenbrüche notwendig."

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Genau das passierte dem 28-jährigen Berliner. Als die S1 sich kurz vor 1 Uhr nachts nahe dem Bahnhof Fasanerie befand, entstand ein Spannungsbogen. Der Stromschlag fegte den jungen Mann vom Dach der S-Bahn. Mit schweren Verbrennungen am linken Bein blieb er am Bahnsteig liegen.

Zum Glück für ihn wurde die 28-jährige Triebfahrzeugführerin auf den Verletzten aufmerksam, als sie bei der Einfahrt zum Haltepunkt Fasanerie eine Störmeldung angezeigt bekam. Sie alarmierte die Rettungskräfte und leistete dem Verunglückten Erste Hilfe. Der 28-jährige wurde zur medizinischen Behandlung in ein Münchner Klinikum transportiert. Seine Verletzungen wurden als nicht lebensgefährlich eingestuft. Ob er durch den metertiefen Sturz auch innere Verletzungen erlitten hat, war nach Angaben der Bundespolizei am Dienstagmorgen noch unklar.

Die S-Bahn-Fahrerin erlitt einen Schock und wurde abgelöst. Der betroffene Streckenabschnitt war eine knappe Stunde für den Zug- und S-Bahnverkehr gesperrt. An der S-Bahn sowie der Oberleitung entstand kein Schaden. Die Bundespolizei hat Ermittlungen wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr aufgenommen. Das Strafgesetzbuch sieht dafür Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und zehn Jahren vor.

Laut Wolfgang Hauner ist es nicht ausgeschlossen, dass der 28-jährige Berliner bei seiner lebensgefährlichen Fahrt nicht allein war. Wer sachdienliche Hinweise geben kann - auch dazu, wann und wo der 28-Jährige auf die S-Bahn kletterte und ob er in Begleitung unterwegs war - soll sich unter der Telefonnummer 089/515550-1111 an die Bundespolizeiinspektion München wenden.

Den bis dato letzten Vorfall eines verunglückten S-Bahn-Surfers hatte die Münchner Bundespolizei im Mai letzten Jahres gemeldet. Ein 17-Jähriger aus München erlitt dabei am Haltepunkt Grub in der Gemeinde Poing Kopfverletzungen, als er beim Herunterklettern von der S-Bahn am Dach hängen blieb und auf den Bahnsteig stürzte. Gemeinsam mit einem gleichaltrigen Spezl war er am S-Bahnhof in Poing auf eine stadteinwärts fahrende S-Bahn geklettert.

Ein weiterer Vorfall dieser Art im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizeiinspektion München ereignete sich am 20. Juli 2019. Zwei Jugendliche, die im Bereich zwischen Herrsching und Pasing "surften", konnten dank eines Zeugen von Polizisten in Neugilching im Kreis Starnberg gestoppt werden, bevor Schlimmeres passierte. Im April 2017 war ein 16-jähriger Schüler aus Taufkirchen, der zuvor laut Bundespolizei auf einer S-Bahn gesurft war, zwischen Neubiberg und Ottobrunn tot im Gleis liegend aufgefunden worden.

Auch bundesweit kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen. Im September 2018 starb ein 20-Jähriger, als er gegen eine Brücke prallte. Ebenso im Juni 2018, als in Hamburg ein 14-jähriger S-Bahn-Surfer von einem Dach stürzte. Oft lassen sich S-Bahn-Surfer bei ihrem lebensgefährlichen Tun filmen oder fotografieren. Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner zitiert einen Vater, der im März 2014 in Berlin seinen 19-jährigen Sohn verlor und daraufhin eine Stiftung gründete: "Die Jugendlichen denken nicht daran, dass sie sterben oder sich schwer verletzen könnten. Sein Leben für einen schnelllebigen Ruhm im Internet zu gefährden - das ist es nicht wert."

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