Traditionslokal:Schwabingerischer kann eine Kneipe kaum sein

Lesezeit: 3 min

Hans Karp, Wirt der Traditionsgaststätte Rheinpfalz, mit Florian Gandlgruber, Ottfried Fischer, Andreas Steinfatt und Luise Kinseher (v.l.). (Foto: Robert Haas)

Die Rheinpfalz in der Kurfürstenstraße ist wieder mal gerettet, und ihre Stammgäste feiern das 50. Dienstjubiläum des Wirts Hans Karp. Dieser musste nicht nur um seine Kneipe, sondern auch um seine Wohnung bangen.

Von Franz Kotteder

"High from the snitzel and wurstl con crauti!", singt der Maler Michael Heininger seinen Gospelsong auf die Küche der Rheinpfalz, und er wird nicht der letzte sein, der an diesem Abend musikalisch wird. Denn das Lokal beherbergt seit jeher Künstler und Musiker, Zeichner und Autoren, Kabarettisten und Journalisten, Wissenschaftler und Studenten. Und allen von ihnen ist etwas eingefallen zur Rheinpfalz.

Heininger zitiert lustige Nonsensgedichte und erzählt aus seiner Jugendzeit. "Für uns Kunststudenten gab es früher nur vier Lokale in Schwabing", sagt er in seiner launigen Festrede, "der Hahnhof, weil dort das Brot gratis war, der Atzinger, weil für Kunststudenten dort das Bier zehn Pfennig billiger war, der Weinbauer wegen seiner billigen Suppe und die Rheinpfalz, weil wir dort unsere politischen Aktionen an der Akademie besprachen." Das, so sagt er, sei bis heute so geblieben, die Rheinpfalz sei nach wie vor ein Ort, an dem Essen, Trinken und Ratschen möglich sei "und die Schickeria nicht Schlange steht, um sich neppen zu lassen". Und ein ganzes Wirtshaus nickt zustimmend.

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Es ist ein Abend, an dem die Gäste ihren Wirt und ihre Lieblingskneipe hochleben lassen und auf beider Beständigkeit und Ausdauer anstoßen. Dabei hatte alles schon ganz, ganz schlecht ausgesehen für die legendäre Künstlerkneipe. Denn die Rheinpfalz in der Kurfürstenstraße stand Ende vergangenen Jahres vor dem Aus. Die Hacker-Pschorr-Brauerei wollte den Pachtvertrag nicht mehr verlängern und die Wirtschaft wieder rentabler machen.

So ist das eben, wenn nur die Zahlen regieren. Dann sieht man das Entscheidende oftmals nicht. Bei der Rheinpfalz nicht, dass es sich um ein Künstler- und Kneipenbiotop handelt, eine Institution mithin, wie sie schwabingerischer kaum sein kann (falls es diese Steigerungsform gibt). Und vor allem auch um ein langes Wirteleben, das diese Institution erst möglich gemacht hat. Hans Karp, von Stammgästen nur "Hänsel" oder "Tschowanni" genannt, ist seit 1. September 1971 Wirt der Rheinpfalz, und um ein Haar wäre es Ende April vorbei gewesen, weil da sein Vertrag auslief.

Am Mittwochabend jedoch fand nun ein kleines Fest in der Rheinpfalz statt, mit vielen langjährigen Stammgästen, berühmten und weniger berühmten, vor allem aber mit dem 77-jährigen "Hänsel" respektive "Tschowanni" am Zapfhahn. Denn der konnte nun doch sein 50. Wirtejubiläum feiern. Nach bewährtem Muster, das Heininger so beschreibt: "50 Jahre lang hat Hans von seinem Tresenthron aus seine Gäste begrüßt, beäugt und taxiert." Was der Wirt trocken mit: "Des war auch nötig!" kommentiert.

Hans Karp (links), von Stammgästen nur "Hänsel" oder "Tschowanni" genannt, ist seit 1. September 1971 Wirt der Rheinpfalz. Hier ist er mit dem Kellner Klaus Höhler zu sehen. (Foto: Robert Haas)

Dass es weitergeht, hat er vor allem einigen seiner Gäste zu verdanken, und nicht zuletzt auch Brauerei-Chef Andreas Steinfatt, der beim Fest sichtlich beeindruckt ist von der engen Beziehung der Stammkundschaft zu ihrer Kneipe. Auch er ergreift das Wort und erzählt, wie er so nach und nach in die Geschichte hineingezogen wurde, Briefe bekam von dem Kabarettisten Ottfried Fischer ("Wer die Rheinpfalz betritt, begibt sich auf eine Zeitreise"), von dessen Kollegin Luise Kinseher und von vielen anderen. Da habe er dann gemerkt, dass die Rheinpfalz doch mehr zu sein scheint "als eines von insgesamt 4500 gastronomischen Objekten unserer Brauerei". So reifte die Erkenntnis: "Es lohnt sich zu kämpfen."

Da wird ihm Florian Gandlgruber sicher beipflichten. Der Architekt und Musiker sowie Rheinpfalz-Stammgast hat damals zum Jahreswechsel 2020/21 die Initiative ergriffen und zu kämpfen begonnen. Er bat prominente Rheinpfalz-Gäste wie Ottfried Fischer, Luise Kinseher, Altoberbürgermeister Christian Ude und Helmut Schleich um Unterstützung in Form von Briefen an die Brauerei, bastelte mit Freunden und Bekannten an einem Betriebskonzept für die Kneipe und verhandelte mit dem Hauseigentümer. Dabei ging es vor allem um die Wirtewohnung, in der Hans Karp seit 50 Jahren lebt und aus der er hätte ausziehen müssen. Nun hat der Hauseigentümer, die Bayerische Hausbau, die ebenso wie Hacker-Pschorr zur Unternehmensgruppe Schörghuber gehört, zugestimmt, dass Karp dort in einer Art Austragswohnung bleiben kann. Auch den Pachtvertrag für die Rheinpfalz hat man ihm um drei weitere Jahre verlängert, danach geht ein junges Team an den Start, das die Kneipe in seinem und im Sinne der Gäste fortführen soll.

Viele gute Gründe also, um zu feiern. Das tat die Festgemeinde dann auch, Ottfried Fischer war mit Frau Simone extra aus Passau angereist und brillierte mit Sonnenbrille und angeklebten Koteletten als Elvis-Double. Luise Kinseher war da und der Bluesgitarrist Nick Woodland, der Pianist Edgar Wilson spielte Jazz-Traditionals und Eigenkompositionen am Kneipenklavier. Vom kommenden Montag an hat die Rheinpfalz dann wieder ganz normal geöffnet. Für Stammgäste und solche, die es noch werden wollen.

© SZ vom 03.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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