Reiseführer:Die verborgene Schönheit der Ludwigsvorstadt

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Die Schwanthalerstraße wurde schon 1850, zwei Jahre nach seinem frühen Tod, nach Ludwig von Schwanthaler benannt. (Foto: Stephan Rumpf)

Der "Reiseführer für Münchner" bietet viel Überraschendes über das Viertel zwischen Hauptbahnhof und Lindwurmstraße. Die Gegend gilt zum Beispiel als erstes Künstlerviertel der Stadt, lange bevor die Bohème Schwabing entdeckte.

Von Julian Raff

Es kann zwar schon mal vorkommen, dass Wiesn-Besucher, die sich im Bahnhofsviertel einquartieren, während ihres gesamten München-Trips nicht herauskommen aus der Ludwigsvorstadt - zum touristischen Glanzlicht macht das die Gegend zwischen Hauptbahnhof und Lindwurmstraße aber nicht. Um die Reize dieses Viertels zu entdecken und in einen Zusammenhang zu bringen, braucht es schon ein wenig Sinn für verborgene Schönheit - und Vorinformationen. Die hat der Münchner Autor und Verleger Franz Schiermeier nun in einem "Reiseführer für Münchner" zusammengetragen, im Text und bei den akribischen Recherchen unterstützt von Co-Autorin Beate Bidjanbeg und der Geschichtswerkstatt Ludwigsvorstadt.

Natürlich dürfen auch Besucher den Band zur Hand nehmen. Die zum Preis von 18,90 Euro gebotene Informationsfülle auch nur annähernd auszuschöpfen, dürfte aber den Rahmen jeder München-Reise sprengen, zumindest beim ersten Besuch. Ob nun unter einheimischen oder auswärtigen München-Kennern, auf jeden Fall findet die Reihe der Stadtteil-Reiseführer ihr Publikum. In der charakteristisch-puristischen Aufmachung als "kleines Schwarzes" hat sie es auf elf Bände gebracht, die teils bei Schiermeier selbst erschienen sind, teils im Hirschkäfer-Verlag.

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Wie ein klassischer Reiseführer teilt sich auch der neue Band auf in historische und geografische Kapitel einerseits, Serviceseiten mit Registern und Karten andererseits. Die Viertelgrenzen werden dabei, zwecks besserem Gesamtverständnis, auch mal um ein paar Meter überschritten, Bavaria und Ruhmeshalle gehören zum Beispiel eigentlich schon zur Schwanthalerhöhe. Die robuste Bindung und das dicke, beschichtete Papier vertragen den Außeneinsatz und, wenn es sein muss, auch einen kleinen Regenspritzer.

Schwanthaler schuf die Bavaria, sein Atelier lag in der nach ihm benannten Straße. Hier das Grab auf dem Alten Südfriedhof in der benachbarten Isarvorstadt. (Foto: Alessandra Schellnegger)
Anton Braith wirkte mit seinem Malerfreund Christian Mali in der "Schwabenburg" an der heutigen Landwehrstraße. (Foto: FFB)

Inhaltlich bergen die 231 Seiten viel Überraschendes, allem voran, die Geschichte der Ludwigsvorstadt als erstes Münchner Künstlerviertel, lange bevor die Bohème Schwabing entdeckte. Dass Ludwig von Schwanthaler, der Schöpfer der Bavaria, sein Atelier in jener Straße hatte, die schon 1850, zwei Jahre nach seinem frühen Tod nach ihm benannt wurde, hätte man sich vielleicht noch denken können. Schon weniger sichtbare Spuren, ungeachtet seiner einstigen Bedeutung, hinterließ der Schlachtenmaler Albrecht Adam, der damals vor den Toren der Stadt auf dem Gebiet der heutigen Schillerstraße einen als "Adamei" bekannten Gutshof anlegte.

Mit der "Schwabenburg" stand bis in die 1950er-Jahre an der heutigen Landwehrstraße ein weiteres bedeutendes Künstlerhaus. Die Malerfreunde Christian Mali und Anton Braith hatten es Ende des 19. Jahrhunderts in ein, heute würde man vielleicht sagen, Kreativlabor für sich und andere Genre- und Landschaftsmaler der Münchner Schule verwandelt. Eine kreativer Knotenpunkt ist heute als Zwischennutzung in jenem Teil der Schwanthalerstraße eingezogen, wo einst Franz Marc aufwuchs.

Die Schillerstraße hieß vor ihrer Umbenennung zu Ehren Friedrich Schillers im Jahr 1860 Singstraße. (Foto: SZ Photo)

Die Medizinhistorie des Klinikviertels in der östlichen Ludwigsvorstadt, geprägt durch weltbekannte Pioniere wie Ferdinand Sauerbruch, Max von Pettenkofer und Alois Alzheimer, reicht zwar bis in die Gegenwart, erschließt sich aber erst so richtig, über eine kartierte Dokumentation, wie sie der Stadtteilführer bietet. Räterevolution, zwei Weltkriege, NS-Terror und Judenverfolgung nehmen den gebührenden Raum ein, einschließlich einer Auflistung der bereits verlegten und vorgesehenen Stolpersteine im Viertel. Architektonisch konnten die Nazis diesem Stadtteil ihren Stempel nicht aufdrücken. Als eher kurioses Relikt ihrer Monumentalprojekte blieb lediglich das Fragment eines U-Bahntunnels unter der Lindwurmstraße, wo nach dem Krieg Champignons gezüchtet wurden.

Die reichhaltige historische Faktensammlung verdeckt nicht den Blick auf die Gegenwart und Zukunft mit all ihren sozialen und stadtplanerischen Herausforderungen. Als Mitglied im örtlichen Bezirksausschuss hat sich Schiermeier damit auch aktiv auseinandergesetzt, so wie es die Mitautorin Beate Bidjanbeg und einige Gastautoren der Geschichtswerkstatt heute noch tun.

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