Prozess in München:Missbrauch per Whatsapp

Lesezeit: 2 min

Ein 40 Jahre alter Mann gibt sich in Chats als Jugendlicher aus und animiert Minderjährige, ihm Nacktfotos zu schicken. Die Bilder teilt er in seiner Pädophilen-Gruppe. Nun steht er vor Gericht.

Von Susi Wimmer

Ja, setzt Christian S. immer wieder an, er habe die ganze Zeit einen leichten Blackout gehabt, er sei "halt einfach blöd" gewesen. "Ich bin auch öfter aus der Gruppe ausgetreten und wurde wieder hinzugefügt", behauptet der Angeklagte. Die Ermittlungsergebnisse aber, die die Staatsanwaltschaft dem 40-Jährigen vorhält, zeichnen ein anderes Bild.

Christian S. soll der Kopf einer bundesweit vernetzten Handy-Chatgruppe mit teils mehr als 100 Teilnehmern gewesen sein, in der kinderpornografische Fotos und Videos getauscht wurden. Zudem soll sich S. als 15-Jähriger ausgegeben und via Whatsapp Kontakt mit minderjährigen Mädchen aufgenommen haben. Dann habe er ihnen eine Beziehung und Verliebtheit vorgegaukelt und sie dazu animiert, ihm Nacktfotos von sich zu schicken. Nun entscheidet die Strafkammer am Landgericht München I über das weitere Leben des Münchners.

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Christian S. lebt seit über 20 Jahren mehr oder weniger mit und im Isar-Amper-Klinikum in Haar. Dort kam er 2001 erstmals nach diversen Delikten in die geschlossene Abteilung, weil er als minderbegabt gilt und man eine dissoziale Störung bei ihm diagnostizierte.

Es folgten Lockerungsstufen mit Wohngruppen, dann ein Verfahren wegen des Besitzes von kinderpornografischen Dateien, dann wieder eine Wohngruppe in Haar. Dort stand im April 2018 die Polizei vor der Tür. Die hatte von einer pädophilen Chatgruppe Wind bekommen, der auch S. angehörte. Mehr noch: Christian S. war der Administrator der Gruppe, der unter dem Decknamen "Sunny" neue Mitglieder einlud und schon vorab klärte, was die Neulinge an "Material" zu bieten hätten.

Über seinen Anwalt räumt der Angeklagte alle Taten ein

Bei der ersten Durchsuchung stieß die Polizei auf mehr als 2500 Fotos, die S. verschickt hatte, und Hunderte Videos. Er spüre keine sexuelle Erregung bei den Bildern, versichert S. vor Gericht. Vielleicht eher bei "was Älterem", also so 15- oder 16-Jährigen. "Wir haben zwölf rote Leitzbände mit Fotos", hält ihm der Vorsitzende Richter Christian Daimer vor, "ich habe alle gesehen". Und es sei vielleicht ein einziges Foto dabei, das ältere Jugendliche zeige. "Ansonsten nur Kinder." Nach den Auswertungen der sichergestellten Dateien bekam S. 2019 erneut Besuch von der Polizei. Denn er hatte trotz des laufenden Verfahrens weitergemacht.

Staatsanwalt Thorsten Kamberger sagt, dass in pädophilen Chats oft auch Nummern ausgetauscht würden von Freundschaftsgruppen, in denen Minderjährige sich unbedarft miteinander unterhielten. Wie Christian S. in solch eine Gruppe geriet, ließ sich anhand der Datenflut nicht mehr nachvollziehen. Jedenfalls gab er sich dort mit einem falschen Foto als 15-Jähriger aus. "Er schrieb auch mit der geistigen Reife eines etwa 15-Jährigen", erzählt später ein Kripo-Beamter im Zeugenstand. Man wäre nie darauf gekommen, dass da ein Erwachsener kommuniziere.

So habe S. laut Anklage mit einer Zwölfjährigen fast schon eine Beziehung aufgebaut mit Liebesbekundungen und täglichen Chats. Dann soll er sie aufgefordert haben, Nacktfotos zu schicken. Das Mädchen sagte später der Polizei, sie habe das mal ausprobieren wollen, sei neugierig gewesen. "Aber es war ein komisches Gefühl." Bei zwei anderen Mädchen soll S. es ebenso versucht haben, doch die Minderjährigen ließen ihn abblitzen.

Über seinen Anwalt Roland Autenrieth räumt S. alle ihm vorgeworfenen Taten ein. Bei der Frage nach dem Warum weicht er mit fadenscheinigen Antworten aus. Er interessiere sich nicht für Kinder, versichert er, er habe sich auch nie mit Kindern im realen Leben getroffen. Ein Urteil soll in einer Woche gesprochen werden.

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