Angriff mit Hackebeil:"Sein Blick war komisch, so nervös"

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Ein 35-Jähriger steht wegen versuchten Mordes vor Gericht, mit einem Hackebeil hatte er das linke Ohr seines Opfers fast komplett abgetrennt. Nach seiner Tat sei er "wie aus einem Tiefschlaf" erwacht.

Von Susi Wimmer

Andreas T. war an jenem 8. März 2020 mit seiner schwangeren Frau in Schwabing unterwegs, "um meiner Oma zum Frauentag zu gratulieren". Zu den guten Wünschen kam es nicht mehr. Denn bei der Parkplatzsuche mit dem Auto geriet er mit einem Unbekannten aneinander, der nach einer Rangelei ein Hackebeil zog und es ihm durch das halbe Ohr in den Hals hieb. Heute sitzt der Angreifer auf der Anklagebank vor dem Landgericht München I. Der 35-Jährige behauptet, an die Tat keinerlei Erinnerung zu haben. Ob er wegen versuchten Mordes ins Gefängnis, in die Psychiatrie, in eine Entzugsanstalt - oder in alles nacheinander - kommt, muss die zweite große Strafkammer entscheiden.

Andreas T. ( Namen der Beteiligten geändert) steht vor dem Gerichtssaal, die Verteidigung will ihn drauf vorbereiten, dass Abbas W., der Mann mit dem Hackebeil, sich bei ihm entschuldigen wolle. "Was nutzt mir das?", fragt er wütend, "danach geht es mir auch nicht besser." Andreas T. ist ein sportlicher junger Mann, der früher auch mal Boxen und Karate betrieben hat. Vielleicht war das auch der Grund, warum er aus dem Auto ausstieg, als Abbas W. sich plötzlich an der Kreuzung Gernot- und Burgunderstraße vor seinen Wagen stellte und grundlos auf die Motorhaube schlug.

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"Sein Blick war komisch, so nervös", sagt er über den Angeklagten. Und er habe es merkwürdig gefunden, dass er eine Jacke und dazu kurze Hosen trug. Als er ihn ansprach, was das sollte, habe der Unbekannte nur "Problem, Problem" gerufen. Daraufhin habe er Abbas W. am T-Shirt gepackt, zu Boden geworfen und sich auf ihn gekniet. "Dann wollte ich mit dem Handy die Polizei rufen, ich hatte Angst um meine Frau", sagt er.

In diesem Moment habe sich W. befreien können und sei aufgestanden. Seine Ehefrau habe noch gerufen "der hat ein Messer", aber da war es schon zu spät. Abbas W. hatte ein Beil gezogen und zugeschlagen. Im weiteren Gerangel habe W. ihm den kleinen Finger umgeknickt und zweimal gebrochen, berichtet Andreas T. Ehe er flüchtete, habe der Täter zu der schwangeren Ehefrau gesagt: "Willst du auch noch?"

Die Entschuldigung klingt seltsam unbeteiligt

Das linke Ohr von Andreas T. wurde fast vollständig abgetrennt, er erlitt eine klaffende, elf Zentimeter lange Schnittwunde am Hals und verlor viel Blut. Die Narben an Ohr und Hals sind noch zu sehen. Der kleine Finger musste operiert werden, noch heute ist darin zur Fixierung der Verletzungen eine Platte eingesetzt.

Die Entschuldigung von Abbas W. klingt seltsam unbeteiligt: "Es tut mir leid, was Ihnen passiert ist", sagt er zu Andreas T. Und auch seine Einlassung zur Tat ist rudimentär. Er erinnere sich genau daran, dass das Auto ihn am Unterschenkel angefahren habe, deshalb habe er auf die Motorhaube geschlagen. Dann sei er von Andreas T. angegriffen und zu Boden geworfen worden. Als dieser auf ihm kniete, habe er keine Luft bekommen und sei in Panik geraten. Dann erinnere er sich aber an gar nichts mehr. Er sei dann "wie aus einem Tiefschlaf" erwacht und habe etwas Blut an dem anderen Mann gesehen.

Eine Woche vor der Tat war W. bereits in der Psychiatrie: Ende Februar war er in Militärkleidung durch die Stadt gelaufen und hatte Menschen körperlich angegangen. Doch nach einer Nacht wurde er wieder entlassen. Laut Staatsanwalt Daniel Meindl leidet W. an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung und es bestehe der Verdacht auf eine "cannabisinduzierte psychotische Störung".

Vor Gericht erzählt Abbas W. von seiner Kindheit im Irak, der Flucht in die Türkei, wo seine Frau und seine Kinder noch heute leben. Er sei 2014 nach Deutschland gekommen und habe die Familie nachholen wollen. Das habe nicht geklappt. Seitdem habe er ein Alkohol- und Drogenproblem. Das Gericht wird Ende März ein Urteil sprechen.

© SZ vom 05.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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