Kritik:Erfolgreich entschlackt

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Verdis "Aida" bei "Oper für alle", wegen schlechten Wetters ins Nationaltheater verlegt, überzeugt konzertant auch drinnen. (Foto: Wilfried Hösl)

Zubin Mehta dirigiert Verdis "Aida": Stehende Ovationen bei "Oper für alle", verlegt ins Nationaltheater.

Von Paul Schäufele, München

Ganz sicher gibt es Opern, die gewinnen, wenn man ihnen einmal den bühnentechnischen Glanz entzieht. Giuseppe Verdis "Aida" konzertant zu hören, gibt die Möglichkeit, von der relativ simplen Bühnenhandlung abzusehen und sich ganz auf die Vielschichtigkeit der Partitur zu konzentrieren. So dachte wohl auch Zubin Mehta, der die Oper für das Festspielkonzert "Oper für alle" entschlackt hat. Unterstützt von einem glänzenden Ensemble, präsentiert er die 1871 in Kairo uraufgeführte Oper kontrolliert und durchdacht, ohne den gängigen Klischees nachzugeben.

Dass Verdi primär ein lauter Komponist ist, hört man hier nicht. Anstatt die Träume französischer Ägyptologen mit einem donnernden Soundtrack auszustatten, schafft es das Ensemble auf der Bühne der Staatsoper - bewundernswerterweise konnte das Open-Air-Konzert wegen des Wetters kurzfristig nach innen verlegt werden -, das Machtkartell aus Staat und Kirche musikalisch fassbar zu machen und zu zeigen, wie hilflos die Individuen dagegen anrennen. Oder so: Ein Tenor und ein Sopran haben sich gern, ein Mezzo und ein Bariton wollen das nicht. Fabio Sartoris metallisches Timbre lässt in Radamès den siegreichen Feldherrn erkennen, der aber an den entscheidenden Stellen auch brüchig und zögernd erscheint; sein Komplement ist das Stimmwunder Krassimira Stoyanova, deren Spinto-Sopran noch immer bruchlos fließt, mühelos klangschönste Höhen erreicht, etwa in Aidas melancholischer Nil-Arie "O patria mia"; der junge Mongole Amartuvshin Enkhbat gestaltet ihren Vater mit seinem dunkel timbrierten Bariton als rachsüchtigen Patriarchen; und als Amneris brilliert die ebenfalls junge Judit Kutasi, die die Rolle als eine der interessantesten des Fachs ausweist, zwischen Eifersuchtsraserei und gemurmelten Requien für den eingemauerten Geliebten. Dazu kommt der wie gewohnt vorzügliche Chor der Staatsoper. Mehr braucht es nicht für stehende Ovationen. So wird aus "Aida" auch ohne Bühnenbild ein großes Tableau.

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