Oktoberfest 2022:Die Trotzdem-Wiesn

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Auch nach dem Kehraus auf der Wiesn ist das Oktoberfest noch nicht ausgestanden. (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Nach dem Ende des Oktoberfestes steigen die Covid-Zahlen bedrohlich an. Dennoch war es richtig, das Volksfest auszurichten.

Kommentar von René Hofmann

Das Oktoberfest 2022 ist vorüber, ausgestanden aber ist es noch nicht. Am Dienstag meldete München, dass so viele Krankenhausbetten mit Corona-Patienten belegt sind wie schon lange nicht mehr. Nach allen Wahrscheinlichkeiten der Statistik und der Pandemie-Forschung dürften diese Zahlen in den nächsten Tagen weiter steigen. Das größte Volksfest der Welt belastet das Gesundheitssystem - ein System, das lange zuvor schon einem enormen Stress ausgesetzt war. Auch wenn eine Überlastung im Moment nicht abzusehen ist, drängt sich die Frage auf: War das den Spaß für 5,7 Millionen Besucher wert, war es richtig, das Fest steigen zu lassen?

Die Debatte darüber wird in scharfem Ton geführt. Politikerinnen und Politiker, die ihre Freude an der Wiesn offensiv zur Schau stellen, werden in den sozialen Medien hart angegangen. Derlei Auseinandersetzungen zeigen, dass dieses Volksfest ein ganz spezielles war, eines, das weniger stark zusammenführte als sonst und deutlich mehr polarisierte. "Warst du schon?" - "Wie oft?" - "Drinnen oder draußen?": In den zu dieser Jahreszeit in der Stadt obligatorischen "Wie hältst du's mit der Wiesn?"-Fragen schwangen oft auch Befürchtungen mit. Um Leben und Tod geht es nun zwar nicht mehr so oft, nach zweieinhalb Pandemie-Jahren ist aber nicht nur das Gesundheitswesen ausgezehrt, viele bangen: Wer macht die Arbeit, wenn andere krank ausfallen? Sorglos ist diese Wiesn deshalb nicht gewesen, in vielem war sie eine Trotzdem-Wiesn. Sie abzuhalten, ist dennoch richtig gewesen.

Bettenbelegung steigt
:Corona-Welle nach Oktoberfest in Münchner Kliniken

Die Zahl der belegten Betten hat sich seit Beginn der Wiesn mehr als verdoppelt, 478 Patienten mit Corona werden derzeit behandelt. Der Aufwärtstrend ist auch auf den Intensivstationen angekommen.

Mag die Lage auch nicht unbeschwert sein, so bedrohlich wie in den vergangenen Jahren ist die Pandemie nicht mehr. Ein Miteinander im großen Stil ist wieder möglich, jeder kann selbst zu großen Teilen steuern, wie viel Risiko er sich aussetzt. Es war wichtig, ein solches Zeichen der Freiheit zu setzen. Vor allem für die Generation der Gerade-Erwachsenwerdenden, die während der Pandemie oft das Gefühl hatte, übersehen zu werden. Wie gut das ankam, zeigen all die Zahlen, die belegen, wie jung das Wiesn-Publikum 2022 war.

Auch für die Schausteller und Wirte war es wichtig, wieder einmal die ganz große Bühne bespielen zu können. In den Boomjahren vor der Pandemie ist ein wenig in Vergessenheit geraten, dass auch das Oktoberfest eine Marke ist, die immer wieder neue Impulse braucht, um nicht an Strahlkraft zu verlieren. Die Befürchtungen, dass Covid-19 die Reihen der Security-Kräfte oder Bedienungen im Laufe der zwei Festwochen derart ausdünnen könnte, dass am Ende womöglich der Bierfluss versiegt, haben sich nicht bestätigt.

Als er Ende April entschied, die Festvorbereitungen zu starten, hätte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am liebsten verfügt, dass nur Geimpfte oder Getestete auf die Festwiese dürfen. Derlei Vorgaben lassen sich rechtlich nicht mehr begründen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hätte sich zumindest kostenlose Tests am Eingang gewünscht. Auch die aber hätten das grundlegende Dilemma nicht gelöst: Sich in den Spaß zu stürzen, hieß dieses Mal schlicht, alle Bedenken zur Seite zu schieben. Viele haben das gerne getan.

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