Medizinische Versorgung:Auf dem Rücken der Patienten

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Die ärztliche Versorgung der Menschen im äußersten Münchner Westen hat dramatische Züge angenommen. Dass die verantwortlichen Entscheidungsgremien über so lange Zeit keine Lösung finden, kann man nur kopfschüttelnd quittieren.

Kommentar von Thomas Kronewiter

Von konstruktiven Gesprächen ist die Rede, von allseitigem Bemühen angesichts des absehbaren Ärzte-Dramas am äußersten westlichen Stadtrand. Allerdings mag man den ewig gleichen Beteiligten an diesem allzu bekannten Ringen um die Ärzteversorgung in München nichts mehr glauben - zu gut kennt man die Begründungen, Entschuldigungen, Rechtfertigungen. Wenn man also von der "Prüfung etwaiger Verbesserungsmöglichkeiten" lesen muss oder sogar von "Teilungsszenarien", die bislang zu "keinen bedarfsplanerisch sinnvollen Ergebnissen" geführt hätten, weiß man: Das wird nichts werden. So war es schon, als die Arzt-Debatte im damals kinderreichen Freimann geführt wurde, im Hasenbergl oder in der Messestadt Riem. Was soll die Selbstverwaltung im ärztlichen Sektor, wenn sie zur Lösung jahrzehntelang bekannter Probleme nichts beitragen kann?

Dass ein Arzt lieber eine Privatpraxis mit wohlklingender Adresse in der Innenstadt eröffnet, als am Stadtrand die dreifache Anzahl an Kassenpatienten zu versorgen, vermag man noch nachzuvollziehen. Dass dafür die Entscheidungsgremien über so lange Zeit keine Lösung finden, kann man nur kopfschüttelnd quittieren. Immerhin geht es nicht darum, als Mediziner im Bürgerkriegsgebiet von Bergkarabach zu arbeiten, und auch nicht in der dünn besiedelten Uckermark oder an der polnischen Grenze.

Aber auch die städtischen Akteure machen es sich zu leicht. Das könnte die Stunde der Stadtteilmanager sein, wenn sie ihre Aufgabe ernst nehmen, als ehrliche Makler gangbare Wege aufzuzeigen. Das müsste die Aufgabe der Münchner Wohnungsgesellschaften sein, in der Corona-Pandemie die eigene, offenbar unzureichend abgestimmte Planung über den Haufen zu werfen und den Begriff der Fürsorge umfassend zu verstehen. Das mag ein paar hunderttausend Euro kosten für die eine oder andere Instandhaltung, das mag sogar Planungskosten hochtreiben. Die Stadt München nimmt nach ersten Zahlen mehr als eine halbe Milliarde Euro an Verlust in Kauf, um die Münchner nicht im Stich zu lassen. Da kann eine teurere Instandhaltung nicht wirklich als Begründung herhalten, die Menschen im äußersten Westen im Stich zu lassen.

© SZ vom 18.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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