Muslimisches Bildungswerk in München:"Absolutheitsansprüche sind der islamischen Religion wesensfremd"

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Geschenk an den Gast: "Muslimische Lebkuchen" überreicht Belmin Mehic als neuer Geschäftsführer des Münchner Standorts des Muslimischen Bildungswerks an die Mitgründerin der Erlanger Zentrale, Kübra Tan. (Foto: Andrea Schlaier/oh)

Was hat der Islam zu Umwelt, Gleichberechtigung und Finanzen zu sagen? In der neuen Münchner Zweigstelle des Muslimischen Bildungswerks Bayern geht es um gesellschaftsrelevante und religiöse Fragen - auch für Nicht-Muslime.

Von Andrea Schlaier

Den "Schnellimbiss-Imamen mit Dickbäuchen und Ego-Monstern, die sich auf Youtube präsentieren", sollte man nicht die Wissensvermittlung über den Islam überlassen. Çefli Ademi hat diesen lebenssatten Schluss am Samstagabend gezogen. Der weltläufige Wissenschaftler ist nicht nur Jurist, sondern auch Professor für islamische Normenlehre und ihre Methodologie am Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster. "Absolutheitsansprüche sind der islamischen Religion wesensfremd", nicht aber Bescheidenheit und Demut. Beide seien elementar für eine gute Debattenkultur und genau "solche Eigenschaften brauchen wir in dieser Zeit der Polemisierung". Hätte die Münchner Filiale des Muslimischen Bildungswerks Bayern (MBB) schon ein Stammbuch, die Botschaft taugte als Einführungsstatement.

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Das mit dem Stammbuch wird noch dauern. Am Samstagabend ist die Münchner Dependance des MBB erst einmal an den Start gegangen, begleitet von etwa hundert Gästen nicht nur aus den Moscheegemeinden der Stadt, sondern auch aus Landes- und Stadtpolitik sowie Vertreterinnen der städtischen Bildungseinrichtungen, von der Volkshochschule bis zu denen der großen Kirchen. Gastgeberin war die Evangelische Stadtakademie. "Ein Zeichen gegenseitigen Vertrauens", nennt Hausherrin Barbara Hepp es eingangs. Seit vielen Jahren kooperiert ihr Haus schon mit dem anderen selbstbewussten Bildungs-Player der hiesigen Szene, dem Münchner Forum für Islam (MFI) an der Hotterstraße, einem liberalen Begegnungsort Münchner Muslime.

Impulse der Moscheegemeinden in die Stadtgesellschaft tragen

Belmin Mehic ist Vorstandsmitglied des MFI und nun auch Geschäftsführer des neuen Bildungswerkes, erst einmal auch mit Sitz in der Hotterstraße. Das MBB, so der 33 Jahre alte Imam und gebürtige Bosnier, wolle nicht nur religiöse, sondern auch gesellschaftlich relevante Fragestellungen aufgreifen: "Was hat der Islam zum Thema Umwelt, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Finanzen zu sagen?" Man wolle in zwei Richtungen wirken: "Die eine ist, Angebote aus der Stadtgesellschaft in die Moscheegemeinden, die dort klassischerweise nicht unbedingt zu finden sind, zu bringen und die andere sind Impulse aus den Moscheegemeinden in die Stadtgesellschaft zu tragen." Die etwa 150 000 Münchner Muslime sollten sichtbarer werden in der Stadt und über Bildungsangebote zur gleichberechtigten Teilhabe als Mitglieder der Demokratie befähigt werden.

Mit der Einrichtung für "diese Zielgruppe" gebe es nun auch einen fachlichen Ansprechpartner im "Bildungsmanagement der Kommune", der bisher gefehlt habe, sagt Cumali Naz, migrationspolitischer Sprecher der Rathaus-Fraktion von SPD/Volt in Vertretung des Oberbürgermeisters. Genau das sei ein Grund gewesen, das Muslimische Bildungswerk 2018 mit Sitz in Erlangen überhaupt zu gründen. MBB-Geschäftsführerin Kübra Tan sagt das. Die studierte Biochemikerin und Psychologin verweist außerdem auf den "ganz anderen intellektuellen Ansatz", den "wir in der dritten und vierten Generation haben". Es brauche Formate, die Begegnung schafften, "wo man auch mal kontrovers diskutieren kann". Das MBB-Angebot, das in diesem Jahr neben München auch in Regensburg und Augsburg an den Start ging, richtet sich auch an Nicht-Muslime. "Bildung ist ein Schatz, der Menschen krisensicher macht", stellt Christine Modesto vom Kultusministerium in Vertretung von Minister Michael Piazolo (FW) fest.

Çefli Adem nennt es "ethischen Gemeinsinn", den das Bildungswerk entwickeln müsse. "Demokratie bedeutet Zumutung und ich hoffe, dass das MBB in der Lage sein wird, die Zumutbarkeitsgrenze zu stärken". Der Bedarf an Ego-Monstern ist gedeckt.

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