Evangelisch-lutherische Kirche:Das Ende als Neuanfang

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Die Kirche soll abgerissen und neu gebaut werden. Pfarrerin Sarah Fischer-Röhrl (links) und Architektin Gabriele Musil. (Foto: Florian Peljak)

Das Gemeindezentrum Bartimäus wird abgerissen. An seiner Stelle sollen drei Mietshäuser mit 15 geförderte Wohnungen entstehen - und ein Veranstaltungssaal, der in Lochhausen seit Jahren gefordert wird.

Von Ellen Draxel

Anekdoten über Erlebnisse in und um das Gemeindezentrum Bartimäus in Lochhausen gibt es jede Menge. Wie die evangelische Jugend im Keller feierte und anschließend im Maisfeld hinter dem Haus verschwand. Wie beim Schnee-Chaos anno 2006 Gemeindemitglieder auf Langlaufskiern mit Schaufel und Schippe den Weg zum Gottesdienstraum freischaufelten. Wie ehrenamtliche Helfer vor einigen Jahren mit viel Herzblut und Pionierstimmung eigenhändig den Schuppen im Garten und die Rampe zum Haus zimmerten.

Ob nun gebetet oder gesungen, gefeiert, gebastelt oder im idyllischen Garten gewerkelt wurde - im evangelischen Gemeindezentrum an der Giggenbacher Straße war in den vergangenen fast 60 Jahren seit der Einweihung des Hauses eigentlich immer was los. Weshalb viele der rund 600 Gemeindemitglieder, weiß Pfarrerin Sarah Fischer-Röhrl, jetzt mit Wehmut auf das blicken, was folgt: Das zur Pasinger Himmelfahrtskirche gehörende Gemeindezentrum in Lochhausen muss abgerissen werden. Der Bau ist marode, die Fenster sind undicht, die Ölheizung ist veraltet und es schimmelt unter dem Dach. "Am 16. Mai beginnen wir mit den Abbrucharbeiten", sagt Gabriele Musil.

Die Architektin leitet die Immobilien-Projektentwicklung beim Münchner evangelisch-lutherischen Kirchengemeindeamt, sie hat - in Absprache mit der Himmelfahrtskirche - die künftige Nutzung des Areals mit auf den Weg gebracht. Und diese Nutzung ist umfangreicher als bisher. Errichtet werden sollen auf dem knapp 3200 Quadratmeter großen Grundstück, so die Baugenehmigung erteilt wird, von Oktober an vier zweistöckige Gebäude. Drei davon sind als Mietshäuser konzipiert, jeweils zwei oder drei Personen erhalten in den 15 geförderten, zwischen 44 und 77 Quadratmeter großen Wohnungen ein neues Zuhause.

Das gesellschaftliche Herz des Projekts aber dürfte Bau Nummer vier beherbergen: einen Veranstaltungssaal im Erdgeschoss, mit rund 90 Quadratmetern nur minimal kleiner als der bisherige, dafür von vielen verschiedenen Gruppen im Stadtteil nutzbar. "Am liebsten hätten wir einen großen Träger als Hauptmieter, der den Saal an Interessenten wie beispielsweise Vereine untervermietet", erklärt Pfarrerin Fischer-Röhrl. Ein Gespräch mit der Stadt München dazu steht bereits an, im Dekanat könnte man sich aber auch die Volkshochschule als Ankermieter sehr gut vorstellen. Die Kirche selbst benötige den Raum nur ab und zu, Gottesdienste etwa werden in Lochhausen nur einmal im Monat gefeiert.

Seit Jahren schon wird ein Versammlungsraum für Lochhausen gefordert

Sorgen um die Auslastung jedenfalls braucht sich der künftige Träger wohl keine zu machen: Da es in Lochhausen und Langwied bisher keinen einzigen Versammlungsraum gibt, wird die Bereitstellung eines solchen Saals von Bürgern wie Lokalpolitikern seit Jahren vehement gefordert. Und einen Wohnbereich im ersten Stock bekommt auch dieses vierte, ganz im Westen des Grundstücks außerhalb des derzeitigen Zauns situierte Gebäude - "im Idealfall reserviert für den Hausmeister", so Musil. 118 Quadratmeter Wohnfläche, ausgelegt für vier Personen.

Der vom Büro "Meuer planen beraten" unter Federführung von Architektin Marion Sammet verfasste Entwurf sieht außerdem begrünte Dächer, Photovoltaik auf dem Versammlungsgebäude zur Stromgewinnung und als Heizung eine Grundwasserwärmepumpe vor. Im September 2023, so der Plan, soll das mit 5,4 Millionen Euro kalkulierte Neubauprojekt dann fertiggestellt sein. Dass die Zeit bis dahin eine "Durststrecke" werden wird, ist der Himmelfahrtskirche sehr bewusst. "Aber uns ist wichtig, den Menschen in Lochhausen und Langwied zu signalisieren: Wir vergessen euch nicht, wir bleiben vor Ort", betont Pfarrerin Fischer-Röhrl.

Die meisten der zahlreichen Gruppen und Kreise bestehen weiter, auch wenn sich einige künftig im Stammhaus der Himmelfahrtskirche an der Alten Allee oder im Gemeindezentrum Emmaus an der Bodenstedtstraße treffen. Andere verlassen die Kirche, zwei Tanzgruppen beispielsweise gehen nach Gröbenzell. Auch der alteingesessene Frauenkreis hört auf, jedoch nur, um sich neu auszurichten: Lochhausen wächst, junge Familien ziehen zu, Neues wird gebraucht. Was aber passiert mit den religiösen Symbolen nach dem Abbruch des Gemeindezentrums?

Der Altar soll an eine polnische Kapelle gehen, Altarbild, -tücher und Kreuz kommen nach Pasing. (Foto: Florian Peljak)

"Altar, Taufstein und Redepult wollen wir einer polnischen Kapelle spenden", sagt Fischer-Röhrl. Die Altartücher, das Kreuz und die Kerzenständer wandern nach Pasing, ebenso wir das Altarbild "Der verlorene Sohn" des Münchner Kunstmalers Walter Habdank. Eines der wertvollsten Dinge in Bartimäus aber, die Glocke des Campanile, geht zurück an die Gemeinde St. Matthäus. Der Bronzeguss stammt aus dem Geläut der 1833 vor den Toren der Stadt als erste evangelische Kirche Münchens errichteten Matthäuskirche, die 1938 von den Nationalsozialisten aus dem Weg geräumt wurde.

Am Samstag, 30. April, will die Gemeinde nun Abschied nehmen von Bartimäus. Mit einem Gottesdienst um 15 Uhr, gestaltet von Sarah Fischer-Röhrl und Dekan Christoph Jahnel.

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