Lerchenau:Verzweifelter Widerstand

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Knapp 100 Menschen demonstrieren wieder für die Rettung des Eggartens. Vor allem städtische Referate stehen in der Kritik. Nach deren Plänen soll ein Investor die alte Kolonie mit bis zu 2000 Wohnungen bebauen. Eine Mehrheit dafür gilt im Stadtrat als sicher

Von Jerzy Sobotta, Lerchenau

Wieder einmal flattert das Banner "Rettet den Eggarten" im Wind. Diesmal vor einer Berufsschule am Mira-Einkaufszentrum, in die Lokalpolitiker aus Feldmoching-Hasenbergl eingeladen hatten, um über die Zukunft der historischen Kleingartensiedlung zu beraten. Gut 90 Menschen kamen, darunter Vertreter der Stadtverwaltung und der Investoren von CA Immo und der Büschl-Gruppe, denen der Eggarten gehört. Und auch die Aktivisten waren da, die Kleingärtner und Nachbarschaftsvereine, die sich schon lange gegen die Pläne wehren, die hundertjährige Kolonie mit bis zu 2000 neuen Wohnungen zu bebauen.

Eine unmissverständliche Forderung. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Doch ihr Kampf sieht zunehmend aussichtslos aus. Erst Anfang Mai hat die Stadt den Bürgern ein Strukturkonzept vorgestellt. Darin ist festgelegt, wo die frische Luft entlangströmen soll, welche Grünflächen und soziale Einrichtungen es geben wird. Ein grobes Raster also, an dem Architekten schon bald ihre Ideen für die zukünftige Wohnsiedlung ausarbeiten könnten.

Die Entscheidung über das Schicksal des Eggartens fällt der Stadtrat Anfang Juli. Und dort gilt eine Mehrheit für die Bebauung als sicher, denn das Projekt wird sowohl von SPD wie CSU unterstützt. Gegenüber den Stadträten sind die Lokalpolitiker aus dem Münchner Norden machtlos. Das wird auch bei den Beratungen deutlich: "Wir entscheiden hier gar nichts", macht der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA) Feldmoching-Hasenbergl Markus Auerbach (SPD) vor der eigens einberufenen Sondersitzung zum Eggarten klar. Und er führt sie anschließend so, dass nicht einmal der Anschein einer demokratischen Debatte erweckt wird: Gebetsmühlenartig liest er die Stichpunkte des über 70-seitigen Strukturkonzepts runter, bis er nach 15 Minuten unter viel Protest seiner Kollegen und erboster Bürger zum Schweigen gebracht wird.

CSU und Grüne im BA lehnen das Strukturkonzept im Gremium ab: Wegen des Artenschutzes, wertvoller Bäume und ökologischer Flächen. Aber auch weil sie sich um die Frischluft, das Trink- und Abwasser der Münchner sorgen, um den Verkehr und den Schienenlärm in der künftigen Siedlung. Also will die CSU das Projekt auf 1200 Wohnungen begrenzen. Die Grünen fordern ein neues Lärmschutzkonzept. Es sind aussichtslos wirkende Versuche, auf bürokratischem Weg die weiteren Planungen abzuwenden.

Es gibt Pläne, die hundertjährige Kolonie mit bis zu 2000 neuen Wohnungen zu bebauen. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Eine Mitarbeiterin des städtischen Planungsreferats bemüht sich, die Vorwürfe zu entkräften: Trinkwasser für München sei genügend da und auch das Abwassersystem vertrage weitere Wohnungen. Selbst an heißen Sommertagen seien die Gebäude kein Problem für das Klima im Viertel, die eingeplante Frischluftschneise mit gut 230 Metern völlig ausreichend. Mit erneuerbaren Energiequellen wolle man ein "energetisches Modellquartier" schaffen, und selbstverständlich habe man auch an Sharing-Stationen für Leihfahrräder und -autos gedacht.

Beschwichtigen konnte das die Lokalpolitiker nicht, die sich nahezu einstimmig der Stellungnahme von CSU und Grünen anschlossen. Martin Obersojer (CSU) protestierte unter lautem Applaus des Publikums: "Auf die Aussagen der städtischen Referate gebe ich gar nichts mehr. Die Transparenz und Zuverlässigkeit ist schwer in Frage gestellt." Widerspruch kam von Klaus Mai (SPD), der die Stadt in Schutz nahm, bei der Abstimmung aber trotzdem mit seinen Kollegen gegen die Bebauung stimmte.

Auch die Aktivisten geben nicht auf. "Wo ist die Demokratie, wo sind die Bürger?", ruft Martin Schreck, der seit langen für den Erhalt des Eggartens kämpft. Er hat eine mit sentimentaler Klaviermusik untermalte 3D-Simulation mitgebracht, die er mit einem Beamer an die Wand projiziert. Sie soll den Eggarten vor und nach einer Bebauung zeigen: Kleingartenidyll versus grauer Manhattan-Hochhäuser. Alles in Neunzigerjahre-Computerspielgrafik. Bei ihrem Anblick versucht der Vertreter der CA Immo vergeblich, ein Grinsen zurückzuhalten. Als wüsste er bereits, was der Stadtrat bald entscheiden könnte: Game over, Eggarten.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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