Prozess in München:Selbsternannte Finanzexpertin soll 250 000 Euro ergaunert haben

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Die 55-Jährige hatte behauptet, sie könne ausgesprochen lukrative Anlagemöglichkeiten bieten. Ihre Opfer sahen ihr Geld nie wieder.

Von Susi Wimmer

Sie galt als anerkannte Expertin auf dem Gebiet Vermögensberatung und im Finanzierungsbereich bei einer Münchner Bank, Headhunter hingen an ihren Fersen, sie reiste rund um den Globus, und auch als selbständige Versicherungsagentin liefen die Geschäfte bestens. Das sagt zumindest Andrea B. Die Staatsanwaltschaft hingegen ist der Meinung, dass mit der 55-jährigen Münchnerin eine abgebrühte Betrügerin auf der Anklagebank vor dem Landgericht München I sitzt.

In 27 Fällen soll die Frau über Jahre hinweg anlagewillige Münchner um insgesamt knapp 250 000 Euro gebracht haben. Die versprochenen jährlichen Zinsen über zehn Prozent sahen die Leichtgläubigen ebenso wenig wie ihr angelegtes Geld.

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Notorischen Betrügern sagt man ein hohes Maß an Kreativität und Fantasie nach und eine gewisse Eloquenz, um Geschichten zu erfinden und andere um den Finger zu wickeln. Mit Andrea B. betritt eine eher unscheinbare, zierliche Frau den Gerichtssaal, die braunen Haare hochgebunden, den Blick nach vorne auf die Fotografen gerichtet.

Sie befindet sich derzeit wegen einer anderen Betrugssache in Haft. "Sie haben ja in den sieben Monaten Haft 20 oder 30 Kilo abgenommen", bemerkt die Vorsitzende Richterin der 20. Kammer, Nicole Selzam. "Nein", antwortet die Angeklagte. Und dann: "Ja, weil..." Es folgt eine endloslange Ausführung mit Abschweifungen zu Hinz und Kunz. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Verlauf des Vormittags.

45 000 Euro, 52 000 Euro, 94 000 Euro - und noch mehr

Die aus Kaufbeuren stammende Andrea B. soll laut Anklageschrift seit 2012 immer wieder Klienten mit einer angeblich sicheren Geldanlage und utopischen Zinsen gelockt haben. Ein Ehepaar etwa zahlte binnen zwei Jahren mehr als 45 000 Euro an die Anlageberaterin, ein Mann aus Hallbergmoos 52 000 Euro. Eine Münchnerin gab Andrea B. insgesamt 94 000 Euro in dem Glauben, sie investiere in einen Immobilienfonds.

Einem anderen Geschädigten soll die 55-Jährige erzählt haben, ihre Mutter sei herzkrank und sie benötige dringend Geld. Der Mann lieh ihr 30 000 Euro - auf Nimmerwiedersehen.

Verteidiger Andreas Müller erklärt, seine Mandantin werde sich erst am nächsten Verhandlungstag zu den Anklagepunkten äußern. Dafür erzählt Andrea B. aus ihrem Leben. Von Banken und Versicherungen, für die sie tätig war, von Haftungsangelegenheiten und Container-Anlagen, und dass sie zehn Jahre mit Room-Service im Hotel Arabella gelebt hat. Dann aber sei sie ausgezogen wegen der Selbstmörder, die sich vom Dach gestürzt hätten. "Sie haben die Miete nicht bezahlt", hält ihr Richterin Nicole Selzam vor. "Nein", antwortet Andrea B., "das war anders."

Als es um Vorerkrankungen geht, berichtet Andrea B. von zwei stressbedingten Gesichtslähmungen. "Sind die wieder zurückgegangen?", will die Richterin wissen. "Erst mal", antwortet die Angeklagte, "muss man sich ja fragen, wo das herkommt." Und dann folgt wieder ein Vortrag zum Versicherungswesen und dem damit verbundenen Stresslevel.

Am kommenden Donnerstag will sich Andrea B. zu den sechs Anklagepunkten äußern. Zwei weitere mutmaßliche Betrugsfälle konnte die Staatsanwaltschaft wegen Verjährung nicht mehr zur Anklage bringen. Ein Urteil wird die 20. Strafkammer am Landgericht München I Ende Juli sprechen.

© SZ vom 07.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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