Manche Traditionen lassen sich in einem einzigen Wort bündeln. Als Seraphine Kustermann vor 26 Jahren ihren Namen erhielt, geschah dies mit Blick auf die Familiengeschichte. Franz Seraph Kustermann hatte 1798 eine Schlüsselrolle gespielt bei der Gründung der Eisenwarenhandlung, aus der das heutige Fachgeschäft gleichen Namens hervorging.
Aber nicht nur das: Als Bestandteil von Franz Seraph ist der Name abgeleitet vom Beinamen Pater Seraphicus des Heiligen Franz von Assisi, der sich für ein Miteinander aller Geschöpfe eingesetzt hatte. In allen Tieren, selbst in dem gefährlichsten Wolf, vermochte der Seraph-Urahn seine "Brüder" zu erkennen. Ganz so weit geht Susanne Linn-Kustermann nicht. Aber sie sagt: "Das zeigt unsere Naturverbundenheit. Die Kustermanns waren immer Jäger, Reiter, Fischer, Segler." Und von der Naturnähe ist es nicht weit zur Nachhaltigkeit. Und damit zum Geschäft. Denn auch dafür steht der Name Kustermann.
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Seit 225 Jahren gibt es die Firma nun. Sie war immer in Familienhand. Der Generationenzähler steht aktuell bei der Ziffer sieben. Und er wird weiterlaufen. Das verspricht Seraphine Kustermann: "Es gibt noch drei andere in der Familie in meinem Alter. Wir haben uns schon verständigt, dass wir das Geschäft fortführen wollen." Die Details sind noch nicht ausbuchstabiert. Dafür bleibt auch noch Zeit. Aktuell leiten ihre Mutter und deren Schwiegersohn Caspar-Friedrich Brauckmann noch die Geschicke - und dies in einer Art, die von Amtsmüdigkeit nichts ahnen lassen.
"Natürlich hat der stationäre Handel eine Zukunft", hat Susanne Linn-Kustermann am Dienstagvormittag vor einer ausgewählten Festrunde gesagt, die das Haus zu seinem Jubiläumsstart zum Frühstück in seine historischen Räume mit Blick auf den Viktualienmarkt geladen hatte: "So lange es Menschen gibt, die ein Zuhause wollen, wird es auch einen Platz für Kustermann geben." Und Caspar-Friedrich Brauckmann erklärte: "Wir sehen unsere Kunden als Gäste. Und wir wollen unseren Gästen das Leben zu Hause schöner und leichter machen."
Seraphine Kustermann hat bei der Gelegenheit keine Rede gehalten. Und doch war allein ihre Anwesenheit das wohl deutlichste Signal, das sich Richtung Zukunft senden lässt. Geburtstagsfeiern sind schließlich gute Gelegenheiten, einen Einstieg in die Gesellschaft anzubahnen. Ein Gesicht, das sich damit verbinden lässt, wirkt stärker als jedes Wort über das Morgen.
Seit sechs Monaten absolviert Seraphine Kustermann ein Traineeprogramm im Unternehmen. Derlei hat es dort zuvor nicht gegeben. Einkauf, Verkauf, Personal: die klassischen Bereiche hat sie bereits durchlaufen. Aktuell steht Projektarbeit an: Zielgruppenanalyse, strategische Ausrichtung. Vier Monate bleiben noch, dann möchte sie einen zweiten Master angehen: Marketing und Finance. Einen ersten - in International Business - hat sie an der Universität Boston schon erworben, zuvor in München einen Bachelor in VWL abgelegt.
Ob sie dabei ihrer Leidenschaft folgt oder eher einem Gedanken der Portfolio-Komplettierung? Ersteres, sagt Seraphine Kustermann, "für den Einstieg ins Unternehmen wäre International Business ausreichend gewesen". Kein Zweifel: An Zielstrebigkeit wird eine Übernahme der Verantwortung nicht scheitern. Und den Eindruck, die Tradition als Korsett oder Last zu empfinden, erweckt Seraphine Kustermann ebenfalls nicht.
Den 225. Geburtstag will F.S. Kustermann das ganze Jahr hindurch feiern. Im Sommer ist ein größeres Fest geplant. Gelegenheiten, die Zukunft des Traditionshauses zu präsentieren, wird es also noch einige geben.